Wirbel um Brandbrief aus Schneeberg

Ein offener Brief von Kommunalpolitikern aus Sachsen an Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck erhitzt die Gemüter. Die Kritik ist jedoch nicht inhaltlicher Natur.
Titelbild
Schneeberg in Sachsen.Foto: iStock
Von 23. August 2022

Nicht die Tatsache, dass ein Bürgermeister in Zeiten der Energiekrise sich mit einem offenen Brief an den Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck wandte, sorgt in den letzten Tagen für Schlagzeilen. Es ist vielmehr die Rückendeckung der Opposition aus CDU, Linken, AfD, den Freien Wählern sowie den beiden Fraktionen „Frei und Unabhängig“ und „aktiv“, die für einige das Fass zum Überlaufen bringt.

In ihrem Schreiben fordern die Stadträte einen dringenden Kurswechsel in der Energie-Politik, doch das wird in den Medien kaum thematisiert. Das Augenmerk liegt auf einer angeblich gemeinsamen Sache von CDU und Linken mit der AfD. Der „Spiegel“ spricht in einem Beitrag von „politischem Sprengstoff“, weil die Unterzeichner „aus allen Lagern von ganz rechts bis ganz links“ kommen. In dem offenen Brief sei die in der Vergangenheit viel beschworene „Brandmauer gegen rechts“ gefallen.

Jutta Ditfurth von der Ökologischen Linken kommentierte den gemeinsamen politischen Appell aus Schneeberg auf Twitter mit den Worten: „Dann kann die Linkspartei natürlich auch Montagsdemos gemeinsam mit Nazis veranstalten.“

„Die sächsische Union muss diesem gemeinsamen Treiben in Schneeberg energisch widersprechen – auch wenn es nur zwei AfD- und zwei Linke-Stadträte gibt“, fordert ein Twitter-User.

Inhalte statt Ideologien

Tatsächlich hat nur einer den offenen Brief unterzeichnet, nämlich der Bürgermeister von Schneeberg, Ingo Seifert. Das geht aus dem der Epoch Times vorliegenden Brief hervor. Zuvor war im Stadtrat beschlossen worden, den Brief gemeinsam aufzusetzen. „Es geht um den Inhalt des Schreibens und nicht um parteipolitische Ideologien. Den überwiegenden Teil unserer Stadtratsbeschlüsse fassen wir einstimmig“, erklärte Seifert gegenüber Epoch Times.

Ähnlich sehen es auch die beiden Schneeberger Linke-Stadträte Andrea und Stefan Schrutek. Wegen ihres Urlaubs erfolgte die inhaltliche Abstimmung des offenen Briefes per E-Mail. Nach dessen Veröffentlichung habe es „Reaktionen von der Landesebene“ mit der Bitte um Klärung des Sachverhaltes gegeben, schilderte Stefan Schrutek gegenüber Epoch Times. Auch er hob in seiner Antwort an die Fraktion hervor, dass es um den Inhalt des Briefes gehe und eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht stattgefunden habe. Darüber hinaus äußerte der Stadtrat: „Eine pauschale Titulierung von AfD-Vertretern als Nazis ist nicht zielführend und relativiert eher die Einzigartigkeit der Verbrechen des deutschen Faschismus.“

Populismus lenkt von Problemen ab

Der CDU-Stadtrat Matthias Preiß, nach dessen Auffassung sich die AfD radikalisiere, äußerte sich ähnlich: „Es ist schade, dass der eigentliche Inhalt und die damit entstehenden oder entstandenen Probleme untern Tisch fallen, sondern nur Populismus betrieben wird.“

„Es kann zwar sein, dass die unterschiedlichsten Stadtratsfraktionen gleiche Auffassungen zu einem Sachverhalt haben, aber dies ist für mich keine Zusammenarbeit, vielmehr ist es der Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, ihre Interessen zu vertreten“, stellt Preiß klar. Schließlich könne man nicht immer dagegen stimmen, bloß weil die AfD irgendeinem Beschluss im Stadtrat zustimme. Auch das habe nichts mit Zusammenarbeit zu tun; „dieser ganze Rummel soll eigentlich nur von den wirklichen Problemen der Zeit ablenken“.

Dass AfD-Vertreter immer wieder als „Nazis“ bezeichnet werden, sieht der AfD-Stadtrat Andre Hempel aus Schneeberg als „Zeichen der Hilflosigkeit“. Sobald den anwendenden Personen die Argumente für sachbezogene Diskussionen ausgehen, greife man dort zu solchen Verunglimpfungen. „Die Mainstream-Medien, speziell die GEZ-finanzierten Sendeanstalten als Sprachrohr der Regierung, versuchen natürlich auch die einzig echte Opposition durch solche gezielte Diffamierung in ein schlechtes Licht zu stellen“, kritisiert Hempel. Für die meisten Menschen, die mit ihm reden, würden mehr die Inhalte der Politik zählen und nicht, wer mit wem etwas beschließt. „Sehr viele sehen die Bundespolitik nicht mehr im Interesse der eigenen Bevölkerung handeln.“ Der Brief hingegen spiegele die realen Probleme der Bürger wider, so Hempel.

Worum geht es den Schneebergern?

In ihrem offenen Brief setzten die Stadträte ein klares Zeichen gegen die aktuelle Energie-Politik. Wegen steigender Rohstoffpreise und bestehender Lieferengpässe käme es in Industrie und Handwerk zu Auftragsstornierungen. Wer sich privat ein Haus bauen wolle, könne dies nicht mehr finanzieren. Die Entwicklung der Gas- und Strompreise neben der Tanksituation sei „mehr als bedenklich“.

„Während alle über die steigenden Gaspreise sprechen und der mediale Fokus auf diese gerichtet ist, haben wir mittlerweile eine Verzehnfachung des Strompreises“, kritisieren die Stadtpolitiker. Diese Entwicklung gipfle nun in der beschlossenen Gasumlage, die durch alle getragen werden solle. Die Stadträte fürchten, dass zahlreiche Privathaushalte und Unternehmen, Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe die zukünftige finanzielle Belastung nicht mehr tragen könnten.

„Großvermieter und Energieversorger wie Stadtwerke werden dies als Erstes verspüren, wenn Rechnungen nicht beglichen werden“, mahnen sie. Die damit verbundenen riesigen Einnahmeverluste bekämen letztlich auch die Kommunen zu spüren, sodass diese finanziell handlungsunfähig würden.

Mittelstand vor dem Aus

Die seit der Corona-Krise ohnehin gebeutelten Betriebe des Mittelstandes, die in dem Brief als „Motor der Wirtschaft“ bezeichnet werden, würden nun an den Rand ihrer Existenz gebracht. Aus ihrer Sicht sind Stromsparappelle wie das Abschalten von Straßenbeleuchtungen, verkürztes Duschen oder eine niedrigere Vorlauftemperatur lediglich „Alibimaßnahmen“, deren Effekt in kürzester Zeit verfliegen werde.

„Wenn Sanktionen und Embargos nicht die Wirkung entfalten, welche man beabsichtigt hat und wenn die Auswirkungen dieser Maßnahmen lediglich noch die eigene Bevölkerung und Wirtschaft treffen, dann ist es an der Zeit, Entscheidungen zu hinterfragen und bestenfalls zu revidieren“, so die Stadtvertreter im überparteilichen Schulterschluss.

Dass es einer Energiewende bedarf, sei „unstrittig“. Allerdings benötige es eine akribische Vorplanung, die mit der Stärkung der Durchleitungs- und Aufnahmekapazitäten der Stromnetze einhergehen müsse, was mindestens zehn Jahre benötige. Daher fordern die Stadträte einen dringenden Kurswechsel, „indem wir eingestehen, dass wir mittelfristig noch weiter von Gas und anderen fossilen Energieträgern abhängig bleiben“. Zur Erhaltung des sozialen Friedens und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit brauche es bezahlbare Energiepreise – für Bürger und Unternehmer.

Die Reaktionen zu dem offenen Brief waren laut Bürgermeister zu 99 Prozent positiv und würden nicht abreißen. „Viele unterstützen das Schreiben und schicken mir ihre Firmenlogos, um mit auf der Anlage zum Schreiben zu erscheinen“, freut sich Seifert.



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