„Politik auf Kosten der kleinen Leute“ - Wirtschaftsweise kritisiert Bundesregierung
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm nennt die deutsche Renten- und Finanzpolitik „sozial ungerecht“. Zudem droht weiterer Stellenabbau: Unternehmern sei klar, dass deutliche Steuererhöhungen in Deutschland drohten – und sie prüften, ob sie ins Ausland gehen.

Wirtschaftsweise Veronika Grimm: „Aktuell geben wir schon 33 Prozent des Haushalts als Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung“.
Foto: Britta Pedersen/dpa
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat die Renten- und Finanzpolitik der Bundesregierung als sozial ungerecht kritisiert und vor einem Arbeitsplatzabbau in Deutschland gewarnt. „Die Bundesregierung treibt eine Politik auf Kosten der kleinen Leute voran, die das Land an den Abgrund manövriert“, sagte Grimm der „Augsburger Allgemeinen“.
„Schon 2029 sind wir in einer Situation, in der allein die Sozialausgaben, Zinslasten und die Verteidigungsausgaben die gesamten prognostizierten Einnahmen des Staates aufbrauchen“, fuhr Grimm fort.
Der Wirtschaft sei klar, dass deutliche Steuererhöhungen in Deutschland drohten, weshalb viele Unternehmen Standortverlagerungen ins Ausland prüften.
Kritik am Rentenpaket
Die Ökonomin äußerte scharfe Kritik an den rentenpolitischen Beschlüssen der Bundesregierung, das Rentenniveau bis 2031 festzuschreiben und die Mütterrente auszuweiten.
„Das Rentenpaket ist ein fatales Signal“, sagte Grimm. „Aktuell geben wir schon 33 Prozent des Haushalts als Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung, der Bundeszuschuss würde auch ohne das Rentenpaket steigen – nun steigt er noch stärker und nimmt dem Staat die Handlungsspielräume.“
Das Paket treibe zudem die Beiträge zur Rentenversicherung hoch und verteuere die Arbeit zulasten der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen. „Ich befürchte deshalb, dass wir zunehmend eine Abwanderung von Unternehmen sehen“, sagte Grimm.
Die werde insbesondere die Normalverdiener in Deutschland treffen, während hochqualifizierte junge Fachkräfte ebenfalls ins Ausland abzuwandern drohten.
Um dies zu verhindern, seien harte Reformen nötig. Doch diese seien für die jetzige Koalition noch schwieriger, als für frühere Bundesregierungen.
Grimm: Kanzler Schröder hatte es während Agenda 2010 leichter
„Im Vergleich zu heute hatte es Kanzler Gerhard Schröder zu Zeiten der Agenda 2010 leicht“, sagte Grimm. „Er musste nur die Wirtschaft wettbewerbsfähig machen, die Produkte waren ja gut“, sagte sie.
„Heute haben wir die schwierige Aufgabe, uns zusätzlich bei der Umsetzung von technologischen Entwicklungen in Wertschöpfung erst wieder an die Spitze setzen zu müssen.“
Deutschland habe aufgrund seiner früheren industriellen Erfolge und politischer Bedenken zu wenig auf Innovation im Hochtechnologiebereich gesetzt. „Ob Gentechnik, Künstliche Intelligenz oder Nukleartechnik, man hatte überall Vorbehalte“, sagte Grimm.
Inzwischen wachse jedoch in der Industrie massiv die Konkurrenz aus China, das technologisch massiv aufgeholt habe. „Wir müssen uns wieder an die Spitze von technologischen Entwicklungen setzen, müssten eigentlich vor die Welle kommen“, forderte Grimm. (afp/ks)
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