Zwangsarbeit? Koalition überarbeitet Pläne zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen

Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit will die Bundesregierung vier Milliarden Euro ausgeben. Insgesamt möchte sie damit 150.000 Langzeitarbeitslosen helfen.
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Jobcenter in HalleFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times4. November 2018

Die große Koalition will einem Bericht zufolge ihre Pläne zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen kurz vor der Bundestagsabstimmung überarbeiten. Ein zwischen CDU/CSU- und SPD-Fraktion abgestimmter Änderungsantrag sehe vor, dass sich die geplanten staatlichen Lohnzuschüsse an den Tariflöhnen orientieren anstatt wie bisher geplant am Mindestlohn, berichtete das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Der Bundestag soll am Donnerstag über den Gesetzentwurf abstimmen.

In dem Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geht es um Menschen, die in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben Jahre lang Arbeitslosengeld II bezogen haben. Sie sollen sozialversicherungspflichtige Jobs in der Wirtschaft, in sozialen Einrichtungen oder Kommunen erhalten. Für maximal fünf Jahre soll dabei ein nach und nach sinkender staatlicher Zuschuss gezahlt werden.

Nach den bisherigen Plänen liegt der Zuschuss in den ersten beiden Jahren bei 100 Prozent des Mindestlohns. Nun wollten die Koalitionsfraktionen hier jedoch den jeweiligen Tariflohn ansetzen, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf Koalitionskreise. Hintergrund sei die Sorge, dass andernfalls nicht ausreichend Jobs für die Langzeitarbeitslosen geschaffen würden.

Heils Arbeitsmarktprogramm soll zum Jahreswechsel in Kraft treten. Es sieht auch vor, die teilnehmenden Langzeitarbeitslosen und ihre neuen Arbeitgeber mit einem Coaching zu unterstützen.

Außerdem ist ein weiteres Förderinstrument geplant, das bereits nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit ansetzt. Hier ist ein Zuschuss für 24 Monate vorgesehen, der im ersten Jahr bei 75 Prozent und im zweiten Jahr bei 50 Prozent des regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts liegt. Nach dem Ende der Förderung muss der Mitarbeiter noch mindestens sechs Monate beschäftigt werden.

Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit will die Bundesregierung vier Milliarden Euro ausgeben. Insgesamt möchte sie damit 150.000 Langzeitarbeitslosen helfen.

Das Thema aus einer anderen Sicht: Es droht Zwangsarbeit

Wer binnen der letzten sieben Jahre länger als sechs Jahre ALG II erhalten hat, wird de facto entsprechend einer Änderung des SGB II im „Teilhabegesetz“ (10. SGB II-ÄndG, § 16i und § 16e SGB II) zwangsweise einem Arbeitgeber für fünf Jahre zugewiesen. Darauf wies gegen-hartz.de am 11. Juli 2018 in einem Artikel hin.

Nur die Aufstocker, die in diesem Zeitraum durchgehend abhängig vollzeitbeschäftigt waren, seien davon ausgenommen.

ALG II Bezieher, die in Teilzeit arbeiten, nur kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse hatten oder arbeitslos sind, müssten künftig damit rechnen, „vom Jobcenter zwangsrekrutiert zu werden“, schreibt „gegen-hartz“. Dies betreffe auch selbstständig Erwerbstätige in Vollzeit, die ALG II beziehen. Während dieser fünfjährigen Zwangsarbeit erwerbe der so Beschäftigte keinen Anspruch als ALG I.

„o-ton-Arbeitsmarkt“ formulierte es so

Leistungsberechtigte im SGB II („Hartz-IV-Empfänger“), die innerhalb der letzten sieben Jahre mindestens sechs Jahre Hartz IV bezogen haben, sollen mit Lohnkostenzuschüssen in sozialversicherungspflichtige Arbeit integriert werden. Eine Förderung ist nur für die Personen möglich, die während des Leistungsbezugs nicht oder nur kurzzeitig geringfügig, sozialversicherungspflichtig oder selbstständig beschäftigt waren.

Die Beschäftigungsverhältnisse sollen sowohl bei privaten als auch öffentlichen Arbeitgebern geschaffen werden. Es ist eine Förderung für maximal fünf Jahre möglich. Während dieser Zeit sollen Arbeitgeber einen degressiven Lohnkostenzuschuss zum Arbeitsentgelt erhalten. Der Zuschuss soll in den ersten beiden Jahren 100 Prozent des Entgelts betragen und danach jährlich um jeweils 10 Prozentpunkte bis auf 70 Prozent im fünften Jahr absinken. Während der fünfjährigen Förderdauer ist eine einmalige Verlängerung des Arbeitsvertrags zulässig.

o-ton-Arbeitsmarkt verwies darauf, dass es im Juni 2017 rund 1,5 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger gab, die mindestens sechs Jahre lang Leistungen bezogen haben. Ein Teil seien erwerbstätige Aufstocker, für die es jedoch keine aktuellen Zahlen gäbe. Rund ein Viertel der insgesamt 4,4 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger gingen damals einer Erwerbstätigkeit nach.

100 Prozent der Lohnkosten werden für zwei Jahre aus Steuermitteln bezahlt

Der Arbeitgeber erhält in den ersten beiden Jahren die Lohnkosten vollständig aus Steuermitteln gegenfinanziert. Anschließend erfolgt eine Reduzierung dieser Erstattung um jährlich 10 Prozent. „gegen-hartz“ rechnet hoch, dass über die fünfjährige Zuweisungsdauer 88 Prozent der Lohnkosten aus dem Steuerhaushalt kommen.

Im ersten Beschäftigungsjahr wird der ALG II Bezieher auch weiterhin vom Jobcenter betreut: „d.h. das Jobcenter mischt sich in alle Belange des nun nicht mehr Arbeitslosen ein, sowohl private als auch berufliche. Damit offenbart sich auch der Gesetzestitel ‚Teilhabechancengesetz‘ als Teilhabe des Jobcenters am Leben des Zwangsbetreuten.“

(afp/ks)



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