Zwölf Tote, 89 Verletzte und die bohrende Frage nach der Verantwortung in Bad Aibling

Ab Donnerstag sitzen die zum Teil als Nebenkläger am Prozess beteiligten Opferangehörigen zum ersten Mal dem nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Alleinverantwortlichen für das Unglück in Bad Aibling gegenüber.
Titelbild
Unfallort des Zugunglück in der Nähe von Bad Aibling, Süd-Deutschland, am 9. Februar 2016.Foto: Peter Kneffel Getty Images
Epoch Times7. November 2016

Es war eines der schwersten Zugunglücke in Deutschland seit langem: Am Faschingsdienstag starben in Bad Aibling zwölf Menschen beim frontalen Zusammenstoß zweier Regionalzüge, 89 weitere Menschen wurden verletzt, einige lebensgefährlich. Ab Donnerstag muss sich der zur Unfallzeit zuständige Fahrdienstleiter vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Der 40 Jahre alte Mann soll fatale Fehlentscheidungen getroffen haben, weil er von einem Handyspiel abgelenkt war.

In Bad Aibling erinnert seit einem Monat ein drei Meter hohes Tor aus Eisen an das Unglück. „Ohne Zweifel war das der traurigste Faschingsdienstag in der Geschichte unseres Landes“, sagte Bayerns stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU) bei der Einweihung. Bei dieser kamen bei vielen Angehörigen der Opfer und bei den zahlreichen Rettern die Erinnerungen an den dramatischen Vormittag des 9. Februars wieder hoch.

Dies dürfte ab Donnerstag noch intensiver werden: Dann sitzen die zum Teil als Nebenkläger am Prozess beteiligten Opferangehörigen zum ersten Mal dem nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Alleinverantwortlichen für das Unglück gegenüber.

„Ich möchte dieser Person einmal in die Augen schauen“, sagte ein durch den Unfall schwer geschädigter 18-Jähriger jüngst dem „Münchner Merkur“. Der junge Mann musste als Folge seiner körperlichen Dauerschäden seine Ausbildung aufgeben.

Der aus Rosenheim stammende Michael P. ist wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt, ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Unmittelbar nach dem Unfall war der Familienvater noch auf freiem Fuß geblieben. Doch zwei Monate später kam er ins Gefängnis, wo er seitdem in Untersuchungshaft auf seinen Prozessbeginn wartet.

Anlass für die Festnahme im April war die Auswertung des Handys des als sehr erfahren geltenden Bahn-Beschäftigten. Auf dem Smartphone stellten die Ermittler laut Anklage fest, dass P. eine knappe halbe Stunde nach seinem um 04.45 Uhr begonnenen Dienst das Fantasy-Handyspiel „Dungeon Hunter 5“ startete und dies danach fast 90 Minuten lang spielte.

Dass der Mann das Spiel nicht einfach im Hintergrund laufen ließ, wollen die Ermittler in ihrer Anklage minutiös belegen. Um 06.38 Uhr habe P. einen Krieger rekrutiert, um 06.40 Uhr etwas gekauft. Parallel zu diesen Spielaktionen stellte der Fahrdienstleiter laut Staatsanwaltschaft die Weichen so, dass die beiden Züge sich auf einem Gleis befanden und aufeinander zufuhren. Die technischen Schutzvorkehrungen, die solch eine Situation verhindern sollten, hatte der Angeklagte durch Sondersignale umgangen.

Erst um 06.45 Uhr und 59 Sekunden beendete P. das Spiel den Ermittlern zufolge. Von diesem Moment an blieben nur noch 61 Sekunden bis zu dem frontalen Zusammenstoß. Kurz nach dem Spielende merkte P. zwar seinen Fehler und gab per Notruf den Befehl: „Züge sofort anhalten.“ Doch in seiner Hektik schickte er das Signal nicht in die Züge, sondern an andere Streckenposten. Der Zusammenprall war nicht mehr zu verhindern.

An sieben Prozesstagen bis zum 5. Dezember will der Vorsitzende Richter Erich Fuchs das Unglück verhandeln. Wesentliche Zeugen sind Sachverständige. Deren Gutachten könnten womöglich eine Antwort auf die Frage geben, warum ein einzelner Mensch so verschiedene Fehlentscheidungen treffen konnte und ob nicht auch das Sicherheitssystem der Bahn eine Mitverantwortung trägt.  (afp)



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