Bosnien: Gericht in Sarajevo spricht bosnischen Ex-Kommandeur Naser Oric frei

2006 wurde der früheren Kommandeur der bosnischen Muslime in Srebrenica, Naser Oric, in Den Haag zu zwei Jahren Haft verurteilt. Grund: Er soll während des Bosnienkriegs drei Kriegsgefangene ermordet haben. In einem Berufungsverfahren wurde er aber zwei Jahre später freigesprochen. Nun sprach ihn auch ein Gericht in der bosnischen Hauptstadt frei.
Titelbild
Unterstützer des bosnischen Ex-Kommandeur Naser Oric.Foto: ELVIS BARUKCIC/AFP/Getty Images
Epoch Times9. Oktober 2017

+++ Update: Weitere Angaben zu Oric und seinen Taten & die Reaktionen von bosnischer und serbischer Seite +++

Ein Gericht in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo hat am Montag den früheren Kommandeur der bosnisch-muslimischen Truppen in Srebrenica, Naser Oric, freigesprochen. Der 50-Jährige hatte sich wegen der Ermordung dreier serbischer Kriegsgefangener im Osten Bosniens im Jahr 1992 verantworten müssen. Das Gericht befand Orics 49-jährigen Waffenbruder Sabahudin Muhic ebenfalls für nicht schuldig.

Dutzende Menschen applaudierten Oric, als er das Gerichtsgebäude verließ und in einem Geländewagen verschwand. Oric gilt vielen bosnischen Muslimen als Held, weil er während des Bosnienkriegs (1992 bis 1995) die Verteidigung seiner Heimatstadt Srebrenica organisierte. Die Freisprüche für die „Verteidiger von Srebrenica“ sind für sie eine Genugtuung.

Für Serben ist Oric ein Mörder: Beging Verbrechen gegen Zivilisten und Kriegsgefangene

Viele Serben – sei es in Bosnien oder im benachbarten Serbien – sprechen dagegen von einem krassen Fehlurteil. Für sie ist Oric ein Mörder, der mit seinen Gefolgsleuten zwischen 1992 und 1995 gegen serbische Dörfer in der Umgebung Srebrenicas vorging und dort Verbrechen gegen Zivilisten und Kriegsgefangene beging. Gemäß einem von serbischen Behörden 2014 ausgestellten Haftbefehl wollte Oric die Serben durch Einschüchterung, Folter und Mord vertreiben.

Der serbische Verteidigungsminister Aleksandar Vulin erklärte, das Urteil gefährde „den Frieden, die Sicherheit, das Vertrauen und die Versöhnung auf dem gesamten Balkan“. Vinko Lale, Vorsitzender einer Vereinigung ehemaliger serbischer Kriegsgefangener in Srebrenica, sagte, das Urteil werde zur „Radikalisierung“ beitragen.

Den Haag stuft Massaker in Srebrenica als „Völkermord“ ein – Belgrad und Moskau lehnen Begriff ab

Das zur UN-Enklave erklärte Srebrenica wurde im Juli 1995 von bosnisch-serbischen Einheiten eingenommen, die Schätzungen zufolge 8.000 bosnische Muslime – Männer und Jungen – ermordeten. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945.

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag stufte das Massaker als „Völkermord“ ein. Belgrad und Moskau lehnen diesen Begriff als „einseitige Stigmatisierung“ des serbischen Volks ab und sprechen stattdessen von den Taten einzelner Verbrecher.

Oric 2008 in Den Haag freigesprochen – Serbien empört: Verbrechen an Serben werden ignoriert

Der Haager Gerichtshof hatte den 2003 festgenommen Oric 2006 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im Urteil hieß es, er sei während des Bosnienkriegs nicht genügend gegen Verbrechen eingeschritten, die seine Truppen an Serben verübten. Zwei Jahre später wurde Oric in einem Berufungsverfahren freigesprochen.

Belgrad reagierte seinerzeit mit Empörung auf den Freispruch. Serbische Politiker und Verbände beschuldigten das Gericht, einseitig zu Ungunsten der Serben zu urteilen.

Nach Angaben serbischer Vereinigungen wurde bislang nicht ein muslimischer Bosnier wegen der seinerzeit im Gebiet um Srebrenica an Serben verübten Verbrechen verurteilt. Opferorganisationen zufolge wurden dort während des Konflikts 2.438 serbische Zivilisten und Soldaten getötet.

Oric: Empfinde als Soldat keine Reue

2015 wurde Oric aufgrund des serbischen Haftbefehls in der Schweiz festgenommen, aber nicht nach Serbien, sondern nach Bosnien ausgeliefert. Der damalige serbische Regierungschef und heutige Präsident Aleksandar Vucic beschuldigte Oric, dem Kriegsgefangenen Slobodan Ilic 1992 die Augen ausgestochen und dann getötet zu haben.

Während des im Januar 2006 begonnenen Prozesses in Sarajevo wegen der Ermordung Ilics und zwei weiterer Gefangener sagte Oric wiederholt, dass er als Soldat keine Reue empfinde. Aussagen von Zeugen, wonach der Angeklagte im Juli 1992 einen der drei Kriegsgefangenen erwürgte, bestritt Oric.

Oric war als junger Polizist tagsüber Personenschützer des einstigen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Im Nebenjob war er als Türsteher in Belgrader Nachtklubs tätig. Zu Beginn des Bosnienkrieges befand er sich in Srebrenica, wo er ab April 1992 die bosnisch-muslimischen Truppen befehligte. Drei Monate vor dem Fall der Stadt am 11. Juli 1995 wurde er zusammen mit anderen Offizieren zu Militärübungen abgezogen. (afp/as)

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