Die „Atombombe“ im Sanktionsarsenal der EU

Der Entzug von Stimmrechten ist die schwerste Sanktion der EU für ihre Mitgliedstaaten: Angedroht wurde diese Sanktion schon vielen Ländern, darunter Rumänien, Ungarn und nun Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform.
Titelbild
EU-Parlament in Straßburg, Frankreich.Foto: Christopher Furlong/Getty Images
Epoch Times26. Juli 2017

Der Entzug von Stimmrechten ist die schwerste Sanktion der EU für ihre Mitgliedstaaten. Die Möglichkeit gibt es seit dem Reformvertrag von Amsterdam von 1999. Heute ist sie in Artikel 7 EU-Vertrag zu finden.

Angedroht wurde diese Sanktion schon vielen Ländern, darunter Rumänien, Ungarn und nun Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform. Angewandt wurde das als „Atombombe“ im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten bekannte Sanktionsinstrument aber bisher nie.

Tatsächlich sind die Hürden in dem dreistufigen Verfahren hoch: In einem ersten Schritt würde der Rat der Mitgliedstaaten eine Warnung an die betroffene Regierung aussprechen, indem er eine „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung“ von europäischen Grundrechten feststellt. Hierzu sind vier Fünftel der Mitgliedstaaten nötig – dies wären 22 Staaten.

In der zweiten Phase kann dann „auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments“ das eigentliche Verfahren ausgelöst werden. Die anderen EU-Staaten müssen dabei einstimmig „eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung“ europäischer Grundwerte feststellen. Im Falle Polens hat Ungarn aber bereits klargemacht, dass es Sanktionen gegen Warschau nicht mittragen würde.

Erst nach einem einstimmigen Votum könnte gesondert die Entscheidung getroffen werden, „bestimmte Rechte auszusetzen (…) einschließlich der Stimmrechte des Vertreters der Regierung dieses Mitgliedstaats im Rat“. Möglich ist damit eine teilweise Aussetzung von Rechten oder ein komplettes Abstimmungsverbot, das praktisch einer Aussetzung der aktiven EU-Mitgliedschaft gleichkommt. Seine Verpflichtungen gegenüber der EU – auch finanzieller Natur – muss das Land aber weiterhin erfüllen.

Nötig für den Sanktionsbeschluss ist eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat. Dies wären 20 Mitgliedstaaten, die für mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung abzüglich der Bürger des betroffenen Landes stehen. Um die Sanktion zu lockern oder wieder aufzuheben, ist ein Beschluss mit der gleichen Mehrheit nötig.

Wegen der hohen Hürden für den Stimmrechtsentzug führte die EU-Kommission 2014 bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit ein vorgeschaltetes Verfahren ein. In den ersten beiden Stufen versucht Brüssel dabei, einen Dialog mit dem betroffenen Land aufzunehmen und gibt Empfehlungen für Änderungen umstrittener Vorhaben. Erst in einer dritten Stufe kommt dann der Übergang in das Artikel-7-Verfahren. (afp)



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