Dramatische Brexit-Verhandlungen bringen noch keine Lösung

Wie kann man regeln, dass der EU-Austritt Großbritanniens ohne große Schäden abläuft? Gerade noch sah es so aus, als fänden Brüssel und London zum Kompromiss. Doch seit Sonntag stehen die Zeichen wieder auf Sturm. Und das vor dem wichtigen EU-Gipfel am Mittwoch.
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Der Big-Ben hinter den Flaggen der EU und Großbritanniens.Foto: fotojog/iStock
Epoch Times15. Oktober 2018

Die großen Hoffnungen auf einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen vor dem EU-Gipfel am Mittwoch sind zerstoben.

Damit ist die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union im kommenden Frühjahr gefährlich gewachsen. Ob es noch zu einer Einigung Brüssels mit London kommt, dürfte auch von der Dynamik des politischen Machtkampfes in der britischen Hauptstadt abhängen.

Dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier und dem britischen Brexit-Minister Dominic Raab gelang auch am Sonntag in Brüssel kein Durchbruch. „Trotz intensiver Anstrengungen sind einige zentrale Punkte noch immer offen“, teilte Barnier am Abend nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter mit. Dazu gehört die Vermeidung von Kontrollen an der irisch-nordirischen Grenze.

Über das weitere Vorgehen sollen nun die Staats- und Regierungschefs bei einem am Mittwochabend beginnenden EU-Gipfel in Brüssel beraten. Davor werde es keine weiteren Verhandlungen mehr geben, hieß es aus EU-Kreisen. Es gilt als wahrscheinlich, dass danach weiter verhandelt wird. Kommt doch noch rechtzeitig eine Einigung zustande, soll es im November einen EU-Sondergipfel geben, der das Ergebnis billigt. Gelingt das nicht, müssten die EU-Staaten ohne die britische Premierministerin Theresa May beraten, wie es weitergehen soll.

Die britische Regierung sprach am Sonntagabend zwar von „echtem Fortschritt“ der Verhandlungen, aber auch von „einer Anzahl ungelöster Fragen“ zur irischen Grenze. London strebe weiterhin Fortschritte beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober an.

„Wenn die Verhandlungen jetzt vertagt sind, wird es nach dem EU-Gipfel nicht leichter“, prognostizierte der Brexit-Beauftragte der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Elmar Brok. „Offenbar haben Machtfragen im britischen Kabinett die zentrale Rolle gespielt“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. May müsse jetzt „die parteitaktischen Überlegungen abhaken und endlich eine Einigung in der Sache voranbringen“. Für die EU müsse die Einheit des Binnenmarktes „auf jeden Fall erhalten bleiben“. Für das EU-Parlament sei zudem die Vermeidung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland als Teil des Austrittsvertrags wesentlich.

Nach Angaben Barniers wird vor allem genau um diese Frage gestritten, wie Kontrollen an der Grenze auf der irischen Insel verhindert werden können. Eine Garantie dafür macht die EU zur Bedingung für ein Austrittsabkommen. Sie befürchtet, dass der Konflikt in der Ex-Bürgerkriegsregion wieder aufflammen könnte, sollten sich die Menschen nicht mehr ungehindert zwischen den beiden Teilen der Insel bewegen können. Derzeit ist die Grenze fast unsichtbar.

Zur Lösung des Problems war zuletzt im Gespräch, dass Großbritannien vorerst zeitlich unbefristet Mitglied der Europäischen Zollunion bleibt. Zahlreiche Brexit-Befürworter in Großbritannien lehnen eine solche Lösung allerdings ab. May muss nach Angaben ihres EU-kritischen Parteifreunds Jacob Rees-Mogg mit Gegenstimmen von mindestens 40 Abgeordneten ihrer Konservativen Partei gegen eine Zollunion-Lösung rechnen.

Mays früherer Brexit-Beauftragter David Davis forderte von May in der „Sunday Times“ eine völlig neue Verhandlungsstrategie. Die Nordirland-Partei DUP, auf deren Abgeordnete May im Unterhaus angewiesen ist, drohte ihr sogar mit einem Bruch, wenn sie ihre Zollunion-Pläne weiterverfolge. Als wahrscheinlich gilt, dass diese schwierige innenpolitische Lage Mays die für Sonntag angestrebte Einigung mit Brüssel am Ende verhinderte.

Großbritannien will die EU nach derzeitigem Stand am 29. März 2019 verlassen. Der Austrittsvertrag und eine politische Erklärung über die künftigen Beziehungen müssen allerdings schon deutlich früher stehen, um Zeit für die Zustimmung der Parlamente auf beiden Seiten zu lassen. Wenn es keine Übereinkunft gibt, dann entfällt auch die vorläufig vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020, in der sich fast nichts ändern soll. Dies könnte schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben. (dpa)



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