EU-Erweiterungsprozess und Aufweichung der Haushaltsregeln für Green Deal in Brüssel auf dem Plan

Frankreich begrüßt eine mögliche Reform der Beitrittsregeln für die EU. Dabei geht es auch um die Wirtschaft. Im Rahmen des Green-Deal wird gerade eine Änderung des Stabilitätspaktes von einigen EU-Staaten angestrebt. Das könnte sich auch auf die wirtschaftliche Beurteilung von Beitrittskandidaten auswirken.
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Der Euro-Stabilitätspakt sieht eine Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung vor.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Epoch Times5. Februar 2020

Die französische Regierung hat den Vorschlag der EU-Kommission für die Reform des Erweiterungsprozesses begrüßt. Die Pläne seien „ein positiver Schritt“, sagte Europastaatsministerin Amélie de Montchalin am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. Sie böten die Möglichkeit, die „Verhandlungen auszusetzen oder zu stoppen“ und erhöhten die „politische Kontrolle“ der Mitgliedstaaten. Es gebe aber weiter „keinen Automatismus“ für eine Zustimmung Frankreichs zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien.

Dafür gebe es zwei Bedingungen, sagte Montchalin. Sie forderte einerseits, dass die Mitgliedstaaten die Reformvorschläge der Kommission einstimmig billigen, „ohne diese zu verwässern“. Zudem wolle Paris abwarten, ob die für Februar geplanten Länderberichte zu den Beitrittskandidaten tatsächlich bestätigten, dass Reformen wie verlangt umgesetzt wurden. Eine erste Aussprache darüber werde es voraussichtlich beim Treffen der EU-Europaminister am 25. Februar geben.

Westbalkangipfel soll zu Erfolg werden

„Frankreich wird seine Entscheidung auf Grundlage dieser beiden Etappen fällen“, sagte Montchalin. Für Paris gehe es weiter um die Frage, ob es „Ja oder Nein zur Eröffnung der Verhandlungen sagt“. Auch Frankreich teile aber das Ziel, dass der Westbalkan-Gipfel im Mai im kroatischen Zagreb „ein Erfolg wird“.

Die EU-Kommission hatte Albanien und Nordmazedonien schon 2018 bescheinigt, dass sie die Kriterien für die Eröffnung der Beitrittsgespräche erfüllen. Die Mitgliedstaaten haben die Entscheidung aber seitdem dreimal verschoben. Zuletzt legte Frankreich als einziges Land noch sein Veto gegen beide Länder ein. Die Niederlande und Dänemark lehnten nur Beitrittsgespräche mit Albanien ab.

„Die alte Bewertung der Kommission gilt weiter“, sagte EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi am Mittwoch. Die Kommission werde ihre Berichte aber nun „aktualisieren“. Er sehe „einiges an Fortschritt in beiden Ländern“. Dies könnte aus Sicht des Ungarn als Argument für die Eröffnung der Verhandlungen durch die Mitgliedstaaten dienen.

Kriterien berücksichtigen auch Schuldenstand – EU plant Revision des Stabilitätspaktes

Die Defizit- und Schuldenregeln der EU kommen auf den Prüfstand. Vor dem Hintergrund vorgesehener Investitionen für eine Klimaschutzpolitik erwäge die EU-Kommission eine Überarbeitung der Vorgaben für die Mitgliedstaaten, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch in Brüssel. Ob dies am Ende zu einer Lockerung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes führen soll, blieb zunächst offen.

Gentiloni verwies auf „die immensen Investitionen, die für die Bekämpfung des Klimawandels nötig sind“. Der Italiener hatte im Rahmen des Klimaplans „Green Deal“ bereits für Ausnahmen für grüne Investitionen von den Haushaltsregeln plädiert. In einem ersten Schritt sollen nun Akteure wie die Regierungen und Zentralbanken der EU-Länder zu einer möglichen Reform konsultiert werden.

Stabilitätspakt – Von vielen EU-Staaten schon jetzt nicht erfüllt

Der Stabilitätspakt soll die EU- und insbesondere die Euro-Staaten mit gemeinsamen Regeln zur Haushaltsdisziplin anhalten. Die gesamten Schulden eines Staates dürfen demnach nicht höher als 60 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) sein. Für das jährliche Haushaltsdefizit liegt die Obergrenze bei drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die strengen Vorgaben sind regelmäßig Gegenstand von Kritik. Im November bezeichnete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Drei-Prozent-Regel als „Debatte aus einem anderen Jahrhundert“. Das hoch verschuldete Italien fordert seit Jahren eine Lockerung. Grüne und Linke beklagen zu niedrige Investitionen wegen eines angeblichen Brüsseler Spardiktats.

Staatliche Investitionen auf Pump versus Wirtschaftswachstum durch Entlastung

Bei dem Streit prallen zwei haushaltspolitische Philosophien aufeinander. Während Frankreich, Italien und andere mehr Spielraum für Investitionen wollen, lehnen Länder wie Deutschland und nordische Staaten eine Aufweichung des Stabilitätspakts strikt ab.

Dass es auch innerhalb der EU-Kommission Anhänger beider Denkweisen gibt, wurde bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Gentilonis mit Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Mittwoch deutlich. Der konservative Lette Dombrovskis hob das allgemein sinkende Schuldenniveau als Erfolg koordinierter Haushaltspolitik hervor. Problematisch sei vor allem „eine einsetzende Reformmüdigkeit“ seitens der Mitgliedstaaten.

Sein italienischer Kollege hingegen wies auf die großen Unterschiede zwischen den Schuldenständen der EU-Länder und das niedrige Niveau öffentlicher Investitionen hin. „Das Ziel ist weiterhin die Wahrung der Stabilität“, sagte Gentiloni. Aber „wir müssen die enorme Herausforderung grüner Investitionen angehen“.

Green-Deal-Ausnahmen als Büchse der Pandora

Kritik daran ließ nicht lange auf sich warten. „Nur weil die Kommission nun den Green Deal ausgerufen hat, hat sich die Schuldentragfähigkeit in Ländern wie Italien und Frankreich keinen Deut verbessert“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der Unionsparteien im EU-Parlament, Markus Ferber. Mit Ausnahmen für grüne Investitionen „öffnen wir die Büchse der Pandora“.

„Die Regeln müssen nicht flexibilisiert, sondern vor allem erst einmal zur Anwendung gebracht werden“, erklärte der CSU-Politiker. Tatsächlich wurden die Regeln in der Vergangenheit häufig gebeugt, früher auch von Deutschland. Die vorgesehenen Sanktionen, die sich theoretisch auf bis zu 0,2 Prozent des Wirtschaftswachstums belaufen können, wurden noch nie verhängt.

Brüssel ist sich der Brisanz des Themas wohl bewusst und preschte vorerst nicht mit konkreten Vorschlägen vor. Zunächst soll es Gespräche mit den Mitgliedstaaten, Zentralbanken, dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten sowie Sozialpartnern und Experten geben. Vorschläge sollen dann bis Ende des Jahres auf dem Tisch liegen.(afp/al)



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