EU-Gipfel im Schatten einer heiklen Personaldebatte

Die EU-Staats- und Regierungschefs wagen den Spagat: In einer schwierigen Zukunftsdebatte suchen sie eine Vision für die Union und wollen gleichzeitig das Tagesgeschäft vorantreiben. Da kommt eine Personaldebatte über Chefposten gänzlich ungelegen.
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EU FlaggeFoto: Karl-Josef Hildenbrand/Archiv/dpa
Epoch Times9. März 2017

Zunder für die schwach glimmende Konjunktur, eine Antwort auf den Protektionismus von US-Präsident Donald Trump: Die Wirtschaft ist das Topthema für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen.

So ist es üblich beim Brüsseler Frühjahrsgipfel, doch ist dieses Treffen alles andere als Routine. Es ist wohl der letzte Gipfel vor dem Brexit-Scheidungsschreiben, es ist eingebettet in eine schwierige Debatte über die Zukunft der EU. Und es wird überschattet von einer heiklen Personaldebatte.

Der seit 2014 amtierende Gipfelchef Donald Tusk hat seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als EU-Ratspräsident bis Ende 2019 angemeldet, wohl in Erwartung einer glatten Wiederwahl. Aber sein Heimatland Polen legt sich quer, da der 59-jährige Liberale den Zorn der konservativen Regierung erregt. Die bot unvermittelt einen weitgehend unbekannten Gegenkandidaten auf, den Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski.

Deutschland unterstützt Tusk und sieht überwältigenden Rückhalt für ihn. Und die übrigen Länder können Tusk auch ohne die polnische Stimme wiederwählen. Aber damit würde Polen noch weiter isoliert, das ohnehin schon durch ein Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission am Pranger steht.

Der Zwist soll gleich zu Anfang des Gipfels ausgeräumt werden, bevor die Staats- und Regierungschefs beraten, wie die Konjunktur in Europa weiter gepäppelt werden könnte. Zwar wächst die Wirtschaft nach langen Krisenjahren jetzt überall in Europa und die Arbeitslosigkeit nimmt ab. „Unsicherheiten bestehen jedoch weiter und deshalb ist es wichtig, die Nachhaltigkeit der Erholung zu sichern“, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung.

Plädiert wird darin unter anderem für eine schnelle Ausweitung des 2014 aufgelegten Investitionsfonds EFSI und ein engeres Zusammenspiel im Binnenmarkt. In Abgrenzung zu Trumps Protektionismus will die EU auch ausdrücklich für fairen Freihandel werben und den baldigen Start des Ceta-Pakts mit Kanada feiern.

Bei den schwelenden Großthemen Flüchtlingskrise und EU-Verteidigungspolitik wollen die Staats- und Regierungschefs die Umsetzung früherer Entscheidungen vorantreiben, zuletzt die Anfang Februar in Malta beschlossene Abriegelung der Flüchtlingsroute über das zentrale Mittelmeer. Aus Sorge vor neuen Brandherden – und russischem Einfluss – im Südosten, wollen die Gipfel-Teilnehmer zudem gemeinsam die Lage auf dem Westbalkan analysieren.

Der Brexit taucht in der Tagesordnung nicht auf, zumal die britische Premierministerin Theresa May noch auf das letzte Parlamentsvotum vor den Austrittsgesprächen wartet. Die EU-Partner warten mit, geduldig, wie ein hoher Diplomat sagte. Die Diskussion über die Folgen der Abkehr der Briten und über die Zukunft der EU ist aber bereits entbrannt. Am Freitag, wenn May schon abgereist ist, beschäftigt das Thema die 27 bleibenden Länder.

Die EU-Kommission hat fünf Szenarien vorgelegt, von einer Reduzierung der EU auf einen bloßen Binnenmarkt über das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten bis hin zum Radikalumbau. Die Staats- und Regierungschefs backen kleinere Brötchen: Vor dem 60. Jubiläum der Römischen Verträge am 25. März geht es zunächst nur um eine gemeinsame Linie für eine feierliche Erklärung. Große Zukunftsentscheidungen müssen warten bis nach der Bundestagswahl. (dpa)



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