EU-Neulinge fürchten nach Scheitern des Gipfels um Hilfsgelder

Epoch Times19. Juni 2005

Brüssel – Die zehn überwiegend osteuropäischen Neulinge in der Europäischen Union (EU) fürchten nach dem Scheitern der Finanzberatungen um milliardenschwere Hilfszahlungen aus Brüssel, die sie dringend zur Modernisierung ihrer Volkswirtschaften benötigen.

Mit einem verzweifelten Angebot in letzter Minute hatten die zehn wirtschaftsschwachen Staaten vergeblich versucht, beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel doch noch eine Einigung über die EU-Finanzen 2007 bis 2013 herbeizuführen. Die Geste beschämte die reichen westeuropäischen Mitglieder, die sich über die Höhe ihrer Zahlungen an die Gemeinschaft stritten. Sie war Diplomaten zufolge allerdings vor allem ein Versuch, größere finanzielle Verluste in der Zukunft zu verhindern. „Es lag in unserem Interesse, einen frühen Kompromiss zu erzielen. Es lag im Interesse aller neuen Mitgliedstaaten“, sagte Polens Ministerpräsident Marek Belka, der die Initiative angeführt hatte. Nun dürften die Finanzberatungen nicht vor dem kommenden Jahr abgeschlossen werden. Damit liegen in Osteuropa wichtige öffentliche Investitionen auf Eis.

„Die neuen Mitgliedstaaten waren zu Opfern bereit. Ich hab mich geschämt“, sagte der luxemburgische EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker nach dem Scheitern der Verhandlungen in der Nacht zum Samstag. Einige Regierungen hätten sich beharrlich aus grundsätzlichen Gründen einer Einigung verweigert, obwohl ein Sachkompromiss in greifbarer Nähe gewesen sei.

Hinter dem als Beleg für einen europäischen Geist dargestellten Vorstoß der neuen EU-Staaten steckte Diplomaten zufolge allerdings ein kühles politisches und finanzielles Kalkül. Schließlich sei ein sofortiger, wenigstens in Ansätzen günstiger Abschluss besser als gar keiner. Trotz des angebotenen Verzichts hätte ein Abschluss nach Schätzungen der EU-Kommission allein Polen für die Jahre 2007 bis 2013 fast 60 Milliarden Euro an Netto-Hilfen von der EU eingebracht. Für die übrigen neun Neulinge wären es insgesamt noch einmal mehr als 70 Milliarden Euro gewesen. Damit sollten langfristige Projekte wie der Bau von Autobahnen oder die Sanierung verseuchter Industrieflächen finanziert werden. Verschiebungen des Mittel-Flusses können zur Folge haben, dass Hilfszahlungen insgesamt verloren gehen.

Noch schlimmer sähe es für die neuen EU-Länder aus, wenn auch im kommenden Jahr keine Einigung über die Finanzen erreicht würde. Dann kämen sie nur in den Genuss der beim Beitritt für 2004 bis 2006 zugesagten Zuschüsse und hätten keinen vollständigen Zugang zu EU-Mitteln.

Polen warf Großbritannien, Schweden, Finnland, Spanien und den Niederlanden, die eine Einigung blockiert hatten, Eigennutz vor. „Mein Vorschlag war eine Reaktion darauf, was ich als Eigennutz einiger Mitgliedstaaten empfunden habe“, sagte Belka. „Ich habe gefragt, geht es nur ums Geld? Und wenn ja, um wie viel?“ Diplomaten sagten, der Vorstoß habe Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac schockiert. „Wir sind in einer erbärmlichen Lage, in der diese ärmeren Länder Opfer anbieten. Wie kann das sein?“, zitierten sie Chirac.

Mit der Initiative erreichten die Neulinge zumindest, dass Spaniens Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero seinen Widerstand gegen die Finanzvorschläge aufgab. Aber der britische Premierminister Tony Blair lehnte eine Einigung weiterhin entschieden ab. Das Problem sei nicht die Höhe der britischen Ausgaben gewesen, sondern die Struktur der Ausgaben der EU. Das Angebot der neuen EU-Staaten wies er zurück. „Wir wollen nicht, dass ärmere Länder für uns zahlen.“ Blair hatte eine Reduzierung der EU-Agrarausgaben verlangt, was Frankreich ablehnte. Marcin Grajewski / Reuters



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