EU-Parlament: Selmayrs Blitz-Ernennung war eine „handstreichartige Aktion“ seitens Junckers

Die Blitz-Ernennung des Deutschen Martin Selmayr zum Generalsekretär der EU-Kommission sei eine "handstreichartige Aktion", kritisierte heute das Europaparlament und forderte eine Neuauflage des Verfahrens.
Titelbild
Der umstrittene Generalsekretär der Kommission, Martin Selmayr, in Brüssel. Kritiker äußern den Verdacht, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe seinem bisherigen Kabinettschef Selmayr den Posten zuschanzen wollen.Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Epoch Times18. April 2018

Das Europaparlament hat die umstrittene Blitz-Ernennung des Deutschen Martin Selmayr zum Generalsekretär der EU-Kommission als „handstreichartige Aktion“ kritisiert und eine Neuauflage des Verfahrens gefordert.

Die Kommission müsse auch anderen möglichen Kandidaten die Möglichkeit geben, sich um die Stelle zu bewerben, verlangte das Parlament am Mittwoch in einer Entschließung. Damit solle eine „größere Auswahl potenzieller Bewerber“ ermöglicht werden.

Das Straßburger Parlament räumte aber zugleich ein, dass die Annullierung einer Ernennung „aus rechtlichen Gründen im Allgemeinen nicht möglich ist.“ Daher forderte es die EU-Kommission auf, ihre Beförderungsregeln zu ändern, damit Bewerbungsverfahren in Zukunft „offen und transparent“ ablaufen.

Bei der Beförderung Selmayrs auf den Spitzenposten seien die Bestimmungen des EU-Beamtenstatuts „großzügig ausgelegt“ worden, heißt es in der Entschließung weiter. „Möglicherweise“ sei sogar gegen die Regeln verstoßen worden.

Blitz-Ernennung ohne ein reguläres Verfahren

Die Entschließung, die vom Ausschuss für Haushaltskontrolle erarbeitet wurde, beschreibt das Verfahren detailliert: Selmayr, der zuvor Kabinettschef des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker war, hatte sich im Februar um die Stelle des stellvertretenden Generalsekretärs beworben und dafür das reguläre Verfahren durchlaufen. Am 21. Februar wurde er vom Kollegium der Kommissare einstimmig auf diesen Posten ernannt.

In der gleichen Sitzung gab der damalige Generalsekretär der Kommission, Alexander Italianer, bekannt, er wolle Ende März in den Ruhestand zu treten. Juncker schlug daraufhin vor, Selmayr zum Nachfolger Italianers zu ernennen, was das Kollegium billigte. Damit steht der 47-jährige Deutsche nun an der Spitze der Behörde mit rund 32.000 Bediensteten.

Das Verfahren stützte sich dabei auf das Statut für EU-Beamte, das unter bestimmten Voraussetzungen Besetzungen von Stellen ohne vorherige Ausschreibung vorsieht – etwa, wenn eine „gravierende und dringende Lage“ dies erfordert. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, stellte das Parlament fest.

Kommissare wurde von Junkers Vorschlag „schlicht überrumpelt“

Kommissionspräsident Juncker und Selmayr hätten seit 2015 gewusst, dass der frühere Generalsekretär im März dieses Jahres in den Ruhestand treten wollte. Eine Neubesetzung der Stelle unter den üblichen Voraussetzungen – also mit Ausschreibung – wäre daher durchaus möglich gewesen.

Stattdessen sei Selmayr innerhalb weniger Minuten gleich zwei Mal befördert worden, erst zum stellvertretenden Generalsekretär und dann zum Generalsekretär. Dass kein einziges Kommissionsmitglied dieses Verfahren hinterfragt oder eine Vertagung der Ernennung gefordert habe, sei „enttäuschend“ – zumal der Punkt nicht auf der Tagesordnung gestanden habe.

Juncker habe über seine Pläne nur den Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans und den für Haushalt und Personal zuständigen Kommissar Günther Oettinger informiert, sagte der deutsche Grüne Sven Giegold, der dem Haushaltskontrollausschuss angehört, der Nachrichtenagentur AFP. Die übrigen Kommissare seien „schlicht überrumpelt“ worden.

Schon deshalb verlange das Europaparlament nun eine Neuauflage des Ernennungsverfahrens. Der SPD-Abgeordnete Arndt Kohn sprach von „Mauscheleien“, die den Ruf der Kommission beschädigt hätten.

Juncker unter Druck

Das Europaparlament hat zwar keine Befugnis, Selmayr oder den Kommissionspräsidenten abzusetzen. Durch die heftige Kritik gerät EU-Kommissionspräsident Juncker aber weiter unter Druck.

Angesichts der Kritik, die selbst in den Reihen seiner christdemokratischen Parteifreunde laut wurde, hatte Juncker Mitte März fehlende Unterstützung für seine Personalentscheidung beklagt und mit Rücktritt gedroht. Später sagte er jedoch vor Journalisten, so weit werde es nicht kommen. (afp)



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