„Sowas gab es noch nie“: EU sieht schwere Verstöße Italiens gegen Haushaltsregeln

Sowas gab es noch nie, meint die EU-Kommission: Italiens umstrittene Schuldenpläne weichen komplett von Stabilitätsregeln ab.
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Giuseppe Conte, Premierminister von Italien, bei seiner Ankunft zum EU-Gipfel.Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Epoch Times19. Oktober 2018

Der Streit um die geplante Neuverschuldung Italiens gewinnt an Schärfe. Die EU-Kommission warf Italien in einem am Donnerstag übermittelten Brief eine „beispiellose“ Abweichung von den europäischen Haushaltsregeln vor und forderte bis Montagmittag „Klarstellungen“.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, erklärte, er habe „kein Verständnis“ für Italiens Haushaltsentwurf. Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte war bereits auf Kritik gefasst.

Italien plant eine deutlich höhere Neuverschuldung als mit Brüssel vereinbart und hält im Haushaltsentwurf an kostspieligen Ausgaben fest. Das Land hat mit 131 Prozent der Wirtschaftsleistung allerdings bereits jetzt die zweitgrößte Gesamtverschuldung der Eurozone nach Griechenland und muss für seine Kreditaufnahme steigende Zinsen zahlen.

Die Abweichung von den Haushaltsregeln sei „beispiellos in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“, schrieb die EU-Kommission in dem Brief an Rom. Darin forderte Brüssel „Klarstellungen“ bis Montagmittag. Sollte Italien die Vorlage nicht nachbessern, könnte die Kommission sie zurückweisen. Dies wäre eine Premiere in der EU. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagausgabe) könnte eine Entscheidung darüber bereits bei der nächsten Kommissionssitzung am Dienstag in Straßburg fallen.

Österreichs Bundeskanzler Kurz kritisierte den italienischen Budgetplan scharf. „Wir werden sicherlich nicht für die Schulden und populistischen Wahlversprechen anderer bezahlen“, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Zuvor hatte er in Brüssel bereits gesagt, dass die EU-Vorgaben zu Defiziten und Gesamtverschuldung „für alle gelten“. Auch andere Vertreter einer harten Haltung, allen voran die Niederlande, kritisierten scharf Italiens Ausgabenpolitik.

Der am Montag von der Regierung in Rom verabschiedete Haushaltsentwurf sieht unter anderem die Einführung eines Grundeinkommens und Erleichterungen beim Renteneintritt sowie eine Amnestie für Steuersünder vor. Für das kommende Jahr sieht der Plan ein Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vor – deutlich mehr als die von der Vorgängerregierung versprochenen 0,8 Prozent. 2020 beträgt das Defizit demnach 2,1 Prozent. Im Jahr 2021 liegt es der Planung zufolge bei 1,8 Prozent.

„Das ist kein Haushalt, wie ihn die Kommission erwartet hatte“, hatte Ministerpräsident Guiseppe Conte bereits vor Bekanntwerden des Briefs in Brüssel gesagt. „Je mehr Zeit vergeht, desto schöner finde ich unser Budget.“ Am ersten Tag des EU-Gipfels am Mittwoch hatte Conte erklärte, er sehe „keinen Spielraum“ für Änderungen.

Um zu zeigen, wie ernst das Thema ist, überreichte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici persönlich dem italienischen Finanzminister Giovanni Tria in Rom das Schreiben. Nach ihrer Unterredung sagte Moscovici, die Kommission sei „kein Gegner Italiens“. Vielmehr sei sie „Schiedsrichter“ und müsse auf die Einhaltung der Spielregeln achten, auch wenn das wenig populär sei.

Moscovici fügte hinzu, es gebe keinen Plan B, „sondern nur einen Plan A: Dieser Plan ist es, zusammen zu sein, gemeinsam voranzukommen“. Er könne sich den Euro nicht ohne Italien und Italien nicht ohne den Euro vorstellen. Tria sagte, Italien hoffe auf eine Annäherung der Positionen. „Wir haben verschiedene Ansätze“, fügte er hinzu. Italien setze vor allem auf Wirtschaftswachstum. Deshalb sei es wichtig, Brüssel besser seine geplanten Strukturreformen zu erklären.

Die Debatte um die Durchsetzung der Defizit- und Schuldenziele begleitet die EU seit den 90er Jahren. Der 1997 geschlossene Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte übermäßiges Schuldenmachen verhindern und so den Euro stabil halten. Auch Deutschland hatte den Pakt Mitte des vergangenen Jahrzehnts unterlaufen und Sanktionen in eigener Sache abgewehrt. Dem hoch verschuldeten Griechenland drohte sogar der Rauswurf aus der Eurozone. (afp/so)



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