Europas Regeln für Waffenexporte funktionieren nicht
Kampfjets, Panzer, Fregatten und U-Boote: Europas Rüstungsindustrie führt jährlich für Milliarden Waffen in Drittstaaten aus. Die EU-Staaten haben eigentlich gemeinsame Regeln, wann sie liefern dürfen und wann nicht. Doch sie werden von Regierung zu Regierung unterschiedlich ausgelegt wie der Fall Saudi-Arabien zeigt. Das gilt auch für Deutschland und Frankreich, die gerade gemeinsam mehrere große Rüstungsprojekte auf den Weg bringen. Für Experten sind Probleme vorprogrammiert.
Seit 2008 gibt es den „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU zu Rüstungsexporten. In acht Punkten werden Kriterien festgelegt, wann Exportgenehmigungen untersagt werden sollen: Etwa bei Lieferungen in Konflikt- und Kriegsgebiete, bei Verstößen des Empfängerlandes gegen Menschenrechte oder wenn das Risiko der Wiederausfuhr in Krisengebiete besteht.
Gemeinsame Richtlinien scheitern für Saudi-Arabien
Dennoch konnte sich die EU-Staaten im Herbst nicht auf ein gemeinsames Waffenembargo gegen Saudi-Arabien einigen. Das Land ist schon lange Konfliktpartei im Jemen-Krieg, die Tötung des saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi veranlasste im Oktober die Bundesregierung, einen Lieferstopp zu verhängen.
Länder wie Frankreich oder Großbritannien taten dies nicht. Der französische Präsident Emmanuel Macron nannte die Forderung nach einem Ausfuhrstopp „reine Demagogie“. Waffenlieferungen an Saudi-Arabien hätten „nichts mit Herrn Khashoggi zu tun“.
„Die gemeinsamen Richtlinien sind sehr eindeutig“, sagt Marcel Dickow von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Ich habe Schwierigkeiten zu erkennen, wie man sie so interpretieren kann, dass man derzeit Waffen nach Saudi-Arabien liefert.“
In der EU gebe es in der Frage „vollkommen verschiedene Kulturen“, sagt Elisabeth Braw vom Londoner Rusi-Institut für Verteidigungs- und Sicherheitsstudien.
Deutschland ist traditionell sehr restriktiv bei Exporten, Frankreich sieht das ganz anders. Die dortige Regierung unterstützt Rüstungsunternehmen schon immer sehr aktiv im Exportgeschäft.“
Deutsches Rüstungsembargo und der Brexit
Für Verärgerung sorgt das deutsche Rüstungsembargo gegen Riad gleichfalls in Großbritannien. Der „Spiegel“ zitierte aus einem Brief des britischen Außenministers Jeremy Hunt, in dem sich dieser „tief besorgt“ über das deutsche Vorgehen zeigte. Es könne die Lieferung des Eurofighter-Modells „Typhoon“ und anderer Maschinen an Saudi-Arabien verzögern. Beide enthielten deutsche Bauteile, die vom Lieferstopp betroffen seien.
Durch den Brexit ist die Beteiligung der Briten an künftigen Rüstungsprojekten ungewiss. Doch die verbleibenden EU-Staaten treiben massiv Pläne voran, ihre Rüstungsindustrien über einen milliardenschweren EU-Verteidigungsfonds zu stärken und gemeinsame Großprojekte zu vereinbaren. Deutschland und Frankreich wollen etwa den Kampfjet FCAS und einen Panzer gemeinsam bauen. Mit weiteren Ländern ist auch eine Eurodrohne in Planung.
Die Frage der Exportkontrolle könne bei solchen Projekten „ein Riesenproblem werden“, warnt Braw. Auch Dickow geht davon aus, dass es hier in Zukunft verstärkt Spannungen geben könnte. Er plädiert deshalb für „mehr Verbindlichkeit“ bei den EU-Exportregeln.
Frankreich und Deutschland vereinigten sich auf eine engere Abstimmung
Ob dies auf EU-Ebene vereinbart werden kann, ist fraglich. Deutschland und Frankreich haben sich inzwischen zumindest bilateral auf eine engere Abstimmung und gemeinsame Verfahren verständigt.
Doch seit vergangener Woche sind Berlin und Paris bei ihrem Kampfjet-Projekt nicht mehr alleine. Auch Spanien beteiligt sich. Und das wirft im Zweifel bei Waffenexporten hehre Grundsätze schon mal über Bord.
Auch das zeigte sich bei der Diskussion um das EU-Waffenembargo gegen Saudi-Arabien. Der sozialistische Regierungschef Pedro Sanchez warnte im Oktober, ein Sanktionsbeschluss werde massiv Jobs gefährden. Konkret ging es um die Lieferung von fünf Marine-Schiffen für 1,8 Milliarden Euro an Riad.
Trotz der „schrecklichen Ermordung“ Khashoggis, bedauerte Sanchez, müsse er hier „die Interessen Spaniens und Arbeitsplätze in strategischen Bereichen verteidigen“. (afp)
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