Ex-IWF-Chef Cottarelli soll Italien zu Neuwahlen führen: „Ein Herr Niemand, der die internationale Finanz repräsentiert“

Nach dem Scheitern der geplanten Koalition in Italien soll der Finanzexperte Carlo Cottarelli das Land zu einer Neuwahl führen. Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte den ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds, eine Expertenregierung zu bilden.
Titelbild
Carlo Cottarelli.Foto: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images
Epoch Times29. Mai 2018

Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien steuert das Land auf Neuwahlen zu.

Präsident Sergio Mattarella beauftragte am Montag den Finanzfachmann Carlo Cottarelli mit der Bildung einer Übergangsregierung. Dieser kündigte vorgezogene Wahlen für Herbst, spätestens Anfang 2019 an.

Die Parteien Fünf Sterne und Lega reagierten mit heftiger Kritik.

In der Tat steht Cottarelli für das Gegenteil jener Politik, die Fünf Sterne und Lega im Falle einer gelungenen Regierungsbildung hätten umsetzen wollen. Cottarelli, zuletzt Direktor des Rechnungshofs, war von 2008 bis 2013 ranghoher Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington und anschließend Sparkommissar der italienischen Regierung. In dieser Zeit handelte er sich wegen der Sparmaßnahmen den Spitznamen „Herr Schere“ ein.

Die Mehrheit der Italiener wollen rechtsgerichtete Regierung

Cottarelli kündigte am Montag nach seiner Nominierung eine „neutrale“ Expertenregierung an, die „entschieden europäisch“ sein werde. Damit distanziert er sich klar von den EU-skeptischen Parteien. Cottarelli sagte weiter, als Gründungsmitglied der Europäischen Union „bleibt unsere Rolle unentbehrlich, genauso wie die Fortsetzung unserer Mitgliedschaft in der Eurozone“.

Der Übergangsministerpräsident will nun zunächst versuchen, einen Haushalt für das Jahr 2019 verabschieden zu lassen und dann Anfang kommenden Jahres neu wählen zu lassen. Sollte sich allerdings im Parlament keine Mehrheit dafür finden, was angesichts der Kräfteverhältnisse dort wahrscheinlich ist, könne es bereits nach der Sommerpause Wahlen geben.

Aktuelle Umfragen sehen weiterhin eine Mehrheit für die vom Präsidenten abgelehnten Parteien. Die Aussicht auf eine EU-freundliche Übergangsregierung beruhigte die Finanzmärkte am Montag nicht: Die Mailänder Börse schloss mit einem Minus von mehr als zwei Prozent. Der „Spread“, der vom italienischen Staat für Kredite zu zahlende Risikoaufschlag, stieg auf den höchsten Stand seit November 2013.

„Ein Herr Niemand, der die internationale Finanz repräsentiert“

Die Chefs der rechtsgerichteten Parteien nahmen Stellung gegen Cottarelli. Der Chef der Lega, Matteo Salvini, sagte er sei „ein Herr Niemand, der die internationale Finanz repräsentiert“.

Der Fünf-Sterne-Vorsitzende Luigi Di Maio nannte ihn „einen dieser Experten, Besserwisser, die uns erdrückt haben, indem sie die Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft zurückgeschnitten haben“. Die beiden Parteien hatten den Sparkurs aufgeben wollen.

Präsident Mattarella hatte am Sonntag sein Veto gegen die Berufung des 81-jährigen Euro-Gegners Paolo Savona zum Wirtschafts- und Finanzminister eingelegt und damit die Regierungsbildung vereitelt. Der von der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega als Ministerpräsident nominierte Giuseppe Conte gab den Auftrag zur Regierungsbildung zurück.

Marine Le Pen: Das ist ein „Putsch“

Di Maio bekräftigte am Montag seine Forderung nach einer Amtsenthebung des Präsidenten. Die Lega äußerte sich zunächst nicht, ob sie einen solchen drastischen Schritt im Parlament unterstützen würde.

Die Bundesregierung erklärte in Berlin, sie hoffe auf eine „stabile Regierung“ in Italien. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprang seinem italienischen Kollegen Mattarella zur Seite: Dieser gewährleiste „die institutionelle und demokratische Stabilität seines Landes mit viel Mut und Verantwortungsgefühl“.

Die Chefin der Partei Front National, Marine Le Pen, kritisierte Mattarellas Vorgehen hingegen als „Putsch“. (afp/so)



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