Heidelberger Ökonom: „Corona-Hilfen der EU belohnen finanzpolitische Fehler in Italien und Spanien“

Die Hilfen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU sind nicht an konkrete Reformvorgaben geknüpft, kritisiert der Heidelberger Ökonom Friedrich Heinemann. Dies komme einer Belohnung unterlassener Reformpolitik gleich, beispielsweise in Italien oder Spanien.
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Strand von Riazor in A Coruña, Spanien.Foto: Cristina Andina/Getty Images
Von 15. Juli 2020

In einem Beitrag für die „Welt“ warnt der Heidelberger Ökonom Friedrich Heinemann davor, europäischen Krisenstaaten wie Spanien und Italien Corona-Hilfen ohne damit verbundene Reformauflagen zu gewähren.

Ein mit 750 Milliarden Euro bestückter europäischer Wiederaufbaufonds soll den Mitgliedstaaten der EU helfen, die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Ein erheblicher Teil davon soll an Länder wie Italien oder Spanien gehen, die besonders stark von der Pandemie betroffen waren. Was Auflagen hinsichtlich der Verwendung der Mittel anbelangt, ist die EU-Kommission zurückhaltend.

Heinemann: Fiskalisch gut aufgestellte Staaten kamen besser durch Corona-Krise

Da es sich um Mittel handelt, die Ländern helfen sollen, weil sie unverschuldet in Not geraten sind, wird es als nicht statthaft betrachtet, deren Gewährung von Bedingungen abhängig zu machen. Es soll nur ein paar allgemeine Vorgaben bezüglich der Verwendung geben, über die Details sollen die betroffenen Länder selbst entscheiden.

Heinemann hält das für einen Fehler. Zwar sei unstrittig, dass die betroffenen Länder keine Schuld an der Krise treffe und sie Anrecht auf europäische Solidarität hätten. Allerdings dürften sie nicht aus ihrer Verantwortung für eine vorausschauende Finanz- und Wirtschaftspolitik entlassen werden, die schließlich auch Einfluss darauf habe, wie resilient ein Land auf eine Krise reagieren könne.

Spätestens seit der Weltfinanzkrise sei eine auf Resilienz ausgerichtete nationale Fiskalpolitik zum Imperativ verantwortungsvoller Wirtschaftspolitik geworden.

„Die Resilienz einer Volkswirtschaft hängt unter anderem ab vom Zustand der Staatsfinanzen, dem Wachstumspotenzial, der (besonders auch digitalen) Infrastruktur, der Flexibilität des Arbeitsmarktes und der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung“, erklärt Heinemann.

Dass die EU-Staaten am Vorabend der Corona-Krise auf diesen Feldern unterschiedlich gut aufgestellt waren, hat definitiv mit nationalen Leistungen und Fehlleistungen zu tun.“

Deutschland hatte Hartz-Reformen, Spanien und Italien nicht

Spanien und Italien seien Beispiele dafür, dass den Vorgaben des EU-Stabilitätspaktes über Jahre hinweg nicht entsprochen worden sei und eine vorausschauende Politik des Aufbaus finanzieller Polster für Krisenzeiten unterlassen wurde. Dies sei lange Zeit mit dem stillschweigenden Segen der EU-Kommission geschehen.

Dass Deutschland auch in der Corona-Krise seine Fähigkeit, deren Folgen zu bewältigen, nicht eingebüßt habe und trotz des Lockdowns besser aufgestellt gewesen sei, habe auch mit der Bereitschaft zu tun, notwendige Reformen durchzuführen. Beispiele dafür seien die Hartz-Reformen und die Agenda 2010, mittels derer es in den 2000er Jahren gelungen sei, den Arbeitsmarkt funktionsfähig zu halten. Zudem habe eine disziplinierte Budgetpolitik der Regierung in der Corona-Krise ihre Handlungsfähigkeit erhalten.

In Spanien und Italien sei die Arbeitslosigkeit hingegen mangels Reformbereitschaft schon vor der Corona-Krise hoch gewesen und auch das Bildungs- und das Steuersystem sei nicht auf die Anforderungen einer zukunftsfähigen und krisenresilienten Wirtschaft abgestimmt gewesen. Man habe auf eine Ausweitung von Sozialtransfers statt auf eine Verbesserung der Investitionsbedingungen gesetzt.

„Hilfen sollen mit Beseitigung des Reformstaus verbunden werden“

„Kein EU-Land ist für die anfängliche Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich“, meint Heinemann. „Die Schwere der ökonomischen Betroffenheit reflektiert aber sehr wohl Faktoren, die zu einem wesentlichen Anteil durch die nationale Reformbereitschaft vergangener Jahrzehnte geprägt wurden.“

Aus diesem Grund sei zu befürchten, dass die Art und Weise, in der die Corona-Hilfe vonstattengehe, verfehlte Politik in der Zeit vor der Krise belohne und falsche Anreize setze. Dies zeige sich beispielsweise anhand des Kriteriums, wonach die Höhe der Arbeitslosigkeit inklusive jener unter Jugendlichen auch einen Anspruch auf höhere Zuwendungen nach sich ziehe.

Die damit verbundene Botschaft laute, dass Reformen auf nationaler Ebene nicht erforderlich wären, weil im Ernstfall Europa aushelfen würde. Stattdessen, so Heinemann, solle die Hilfe an klare Reformzusagen geknüpft werden – nur, wenn der Wiederaufbaufonds den nationalen Reformstau nicht verlängere, sei die europäische Solidarität überzeugend.



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