Irland bekommt erstmals bekennend homosexuellen Regierungschef

Die irische Regierungspartei Fine Gael hat Sozialminister Leo Varadkar den Weg für die Nachfolge des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Enda Kenny geebnet.
Titelbild
Leo VaradkarFoto: PAULO NUNES DOS SANTOS/AFP/Getty Images
Epoch Times3. Juni 2017

An der Spitze der irischen Regierung steht künftig erstmals ein bekennender Homosexueller: Die Regierungspartei Fine Gael nominierte am Freitag den 38-jährigen Leo Varadkar für die Nachfolge des zurückgetretenen Premierministers Enda Kenny. Der bisherige Sozialminister soll am 12. Juni vom Parlament zum neuen Regierungschef gewählt werden.

Die Mitte-rechts-Partei Fine Gael wählte Varadkar mit 60 Prozent der Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden, wie die Partei im Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte. Damit folgt er dem 66-jährigen Kenny nach, der Mitte Mai nach 15 Jahren seinen Rückzug von der Parteispitze bekannt gegeben hatte. Er war seit 2011 auch Regierungschef.

Varadkar schreibt gleich im doppelten Sinn Geschichte: Der in Dublin geborene Sohn eines indischen Vaters und einer irischen Mutter wird nicht nur der bislang jüngste, sondern auch der erste offen schwule Premierminister Irlands. Als Sozialminister machte er sich in dem katholisch geprägten Land für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen und für die Lockerung des restriktiven Abtreibungsrechts stark.

Varadkar sagte nach seiner Wahl an die Parteispitze, die Verantwortung für das Land gehe nun „an eine neue Generation irischer Männer und Frauen über“. Er sei „bereit für die Herausforderungen“. Einziger Konkurrent Varadkars für die Nachfolge an der Partei- und Regierungsspitze war Wohnungsbauminister Simon Coveney, dem aber nur geringe Chancen eingeräumt wurden.

Wie die Mehrheit seiner Parteifreunde tritt Varadkar für einen scharfen Sparkurs ein. Die Opposition wirft Fine Gael deshalb vor, das Land zu spalten.

Die politische Lage in Irland gilt als instabil: Kenny stand seit seiner Wiederwahl 2016 an der Spitze einer Minderheitsregierung. Er wurde von unabhängigen Abgeordneten unterstützt. Seine Partei Fine Gael schloss zudem ein Abkommen mit der größten Oppositionskraft Fianna Fail. Im Gegenzug setzte diese eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben durch sowie eine Senkung der Wassergebühren.

Die Anhebung der Wassergebühren durch die Regierung im Jahr 2015 hatte zu Massendemonstrationen geführt. Zwar wächst die Wirtschaft des Landes seit zwei Jahren wieder deutlich – im vergangenen Jahr um mehr als fünf Prozent – aber dies kommt bei vielen Iren nicht an.

Irland hatte ab Ende der 90er Jahre ein Jahrzehnt lang zweistellige Wachstumsraten erzielt und wurde daher der keltische Tiger genannt. Die weltweite Finanzkrise von 2008 stürzte das EU-Mitglied aber in Finanznöte. Die Immobilienblase platzte, die Banken benötigten Milliardenhilfen.

Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) schnürten Ende 2010 ein Rettungspaket in Höhe von 85 Milliarden Euro. Im Gegenzug musste sich das Land zu strikten Sparmaßnahmen verpflichten. Ende 2013 konnte Irland den Rettungsschirm wieder verlassen.

Zu den Herausforderungen, die auf Varadkar warten, gehören auch die Beziehungen zu Nordirland, das zum Vereinten Königreich gehört. Nach dem EU-Austritt Großbritanniens wäre die Grenze zwischen Irland und Nordirland wieder eine EU-Außengrenze und müsste demnach stärker überwacht werden. Nach dem jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt warnt die Regierung in Dublin deshalb vor einem Rückfall in „sektiererische Gewalt“. (afp)

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion