Italien berät mit NGOs über Verhaltenskodex – Migranten-Retter fühlen sich „kriminalisiert“

Italienische Regierungsbeamte beraten heute mit privaten Seenotrettern über einen Verhaltenskodex, der klare Regeln für Rettungseinsätze im Mittelmeer festlegen soll.
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NGOs bringen Tausende Migranten nach Europa.Foto: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images
Epoch Times25. Juli 2017

Italienische Regierungsbeamte beraten mit privaten Seenotrettern über einen Verhaltenskodex, der klare Regeln für Rettungseinsätze im Mittelmeer festlegen soll.

Am Nachmittag (16.30 Uhr) ist dafür ein Treffen im Innenministerium in Rom angesetzt. Der Entwurf des Regelkatalogs, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und insgesamt 12 Punkte umfasst, hatte bereits im Vorfeld für Kritik gesorgt. Hilfsorganisationen erklärten, dass sich ihre Rettungseinsätze ohnehin in einem von italienischen Behörden und internationalem Recht vorgegebenen Rahmen bewegten.

Anwalt: NGOs von Schleppern finanziert

Die Nichtregierungsorganisationen stehen im Mittelpunkt der Debatte um Rettungseinsätze im Mittelmeer, seit ein sizilianischer Staatsanwalt Ende April einigen NGOs vorwarf, von Schleppern finanziert zu sein. Zuvor hatte die EU-Grenzschutzbehörde Frontex festgestellt, dass die NGOs mit ihrem Engagement im Mittelmeer Schleppern in die Hände spielten – unterstellte den Helfern aber keine bösen Absichten. Vielmehr helfen demnach alle an Rettungen Beteiligten den Verbrechern unbeabsichtigt, ihre Ziele mit minimalem Kostenaufwand zu erreichen.

Italien hatte vor einigen Wochen den Vorschlag gemacht, den Verhaltenskodex zu verfassen, und Rückendeckung von den EU-Partnern bekommen. Der sogenannte Code of Conduct soll die Hilfsorganisationen unter anderem dazu verpflichten, nur im äußersten Notfall in libysche Hoheitsgewässer einzudringen – so wie es auch das Internationale Seerecht vorschreibt. Den Helfern wird untersagt, Ortungsgeräte abzustellen. Außerdem sollen sie Behörden, auch der Kriminalpolizei, Zugang zum Schiff gewähren und ihre Finanzierung offenlegen.

Auch nimmt der Verhaltenskodex eine Anschuldigung auf, die die italienischen Staatsanwälte äußerten und von den NGOs stets zurückgewiesen wird: mit Lichtsignalen Schmuggler an der libyschen Küste zu ermuntern, Boote mit Migranten aufs Meer zu schicken. Auch dies soll künftig explizit verboten sein.

NGOs fühlen sich „kriminalisiert“

Aus Sicht einiger Hilfsorganisationen ist der Verhaltenskodex eine weitere Kriminalisierung ihres Engagements im Mittelmeer. Wie sich die Organisationen im Einzelnen zum Verhaltenskodex positionieren werden, ist unklar. Viele prüften den Code of Conduct zuletzt noch rechtlich.

Für kleine NGOs wird es sich mindestens in einem Punkt schwierig erweisen, dem Verhaltenskodex in seiner jetzigen Form zuzustimmen. Wer im Mittelmeer rettet, soll künftig auch selbst die Menschen an einen Hafen bringen. Organisationen mit kleineren Schiffen, die nicht für den Transport von einer Vielzahl von Menschen ausgelegt sind, geben Gerettete normalerweise an größere Schiffe ab und bleiben in der sogenannten Search and Rescue Zone nahe der libyschen Seegrenze. „Wir werden immer mehr eingebunden, die staatlichen Akteure ziehen sich zurück und gleichzeitig wird unsere Arbeit als tendenziell dubios dargestellt“, kritisierte eine Nichtregierungsorganisation in diesem Zusammenhang.

Es sei diskriminierend, dass NGOs, nicht aber Handelsschiffe, Fischer oder Kriegsschiffe, die ebenso Rettungen durchführen, an einen Verhaltenskodex gebunden werden, sagte eine Rechtswissenschaftlerin der Londoner Queen Mary University, Violeta Moreno-Lax, der Hilfsorganisation Sea-Watch. Erst am Montag wurden wieder 600 Migranten aus dem Meer gerettet – von den Organisationen Ärzte ohne Grenzen und MOAS und der italienischen Küstenwache.

Italien versucht derzeit mit unterschiedlichen Vorstößen der Vielzahl an ankommenden Geretteten aus dem Mittelmeer Herr zu werden. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 93 300 an den heimischen Häfen an. Die Regierung in Rom drohte kürzlich, die Häfen für ausländische NGO-Schiffe zu sperren, um die EU-Partner zur größeren Lastenteilung in der Migrationskrise zu bewegen. (dpa/so)



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