Katalonien zwischen Chaos und Neubeginn

Nach der Festnahme des ehemaligen Regionalpräsidenten Puigdemont in Deutschland ist die politische Zukunft Kataloniens ungewisser als je zuvor.
Titelbild
Ein Heißluftballon mit der katalanischen Flagge.Foto: David Ramos/Getty Images
Epoch Times30. März 2018

Nach der Festnahme des ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont bei der Durchreise durch Schleswig-Holstein ist die politische Zukunft Kataloniens ungewisser als je zuvor.

Seit fünf Monaten steht die Region unter direkter Kontrolle der Zentralregierung in Madrid – und trotz aller Bemühungen ist noch immer keine neue Regionalregierung in Barcelona in Sicht. Für die Region gibt es nun mehrere Optionen.

Puigdemont – oder ein anderer?

Die Unabhängigkeitsbefürworter verfügen im katalanischen Parlament über eine Mehrheit und stehen zumindest von außen betrachtet fest hinter Puigdemont. Erst am Mittwoch forderten sie in einer symbolischen Resolution, den Ende Oktober von der Zentralregierung abgesetzten Politiker wieder als Regionalpräsidenten einzusetzen.

Zuvor hatte Puigdemont zwar vom belgischen Exil aus seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur verkündet. Dennoch war sein Name aus seiner Umgebung jüngst immer wieder ins Spiel gebracht worden. Die spanische Justiz hatte eine Wahl aus der Distanz untersagt.

Erste Spaltungen

Allerdings bröckelt der bedingungslose Rückhalt für den 55-Jährigen unter den Separatisten. Innerhalb von Puigdemonts Katalanischer Europäischer Demokratischer Partei (PDeCAT) gibt es sowohl überzeugte Anhänger des Ex-Regionalpräsidenten als auch Pragmatiker, denen es vor allem auf eine möglichst rasche Regierungsbildung ankommt. Dieser steht Puigdemont im Wege. Mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) ist auch die zweitgrößte Partei, die sich für die Trennung von Madrid ausspricht, auf der Seite der Puigdemont-skeptischen Pragmatiker.

Die deutsche Frage

Die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft will erst nach Ostern über die Beantragung eines Auslieferungshaftbefehls für Puigdemont entscheiden. „Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, es gibt eine Realität, der niemand entkommen kann, nämlich dass Puigdemont nicht zum Präsidenten gewählt werden kann“, sagt Antonio Barroso, Politikanalyst bei der Beraterfirma Teneo Intelligence.

Dabei würde Puigdemonts Auslieferung den radikalen Separatisten sogar in die Hände spielen, sagt der katalanische Politologe Gabriel Colomé: „Die Inhaftierungen haben emotionale Folgen, sie radikalisieren.“

Zeitdruck

Die Parteien im katalanischen Regionalparlament haben bis zum 22. Mai Zeit, um einen neuen Präsidenten zu bestimmen. Andernfalls muss es Neuwahlen geben. Mit der Zeit steige der Druck auf die Separatisten, sagt der Politologe Barroso. Er ist überzeugt, dass Puigdemont seinen Platz am Schluss räumen werde. Einstweilen wolle aber niemand dafür verantwortlich sein, den Rückzug eingeläutet zu haben.

„Wir müssen ihn noch ein paar Wochen unterstützen, schließlich lautete unser Wahlkampfslogan ‚Puigdemont Präsident‘, aber in der letzten Minute werden wir verzichten müssen“, sagt eine Quelle aus Puigdemonts Partei.

Neuwahlen

Falls das katalanische Parlament bis zum 22. Mai keinen neuen Präsidenten bestimmt, kommt es zu den dritten Neuwahlen innerhalb von drei Jahren. Die Anhänger von Puigdemont zogen diese Möglichkeit zuletzt immer häufiger in Betracht. Sie wollten auf diesem Weg zum einen die Pragmatiker loswerden und zum anderen endlich mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, sagt der Politologe Oriol Bartomeus von der Autonomen Universität Barcelona.

Neuwahlen müssen den innerkatalanischen Konflikt jedoch nicht zwangsläufig lösen – im Gegenteil: Bei den vergangenen Urnengängen blieben die Wähler stets zwischen Gegnern und Anhängern der Unabhängigkeit gespalten.

Suche nach Alternativen

Politiker aus dem Lager der Unabhängigkeitsgegner hatten zuletzt alternative Bündnisse vorgeschlagen, die Pragmatiker aus allen großen Formationen einbinden. Der Analyst Barroso hält derlei Überlegung angesichts der Tiefen Gräben in der katalanischen Politik allerdings für unwahrscheinlich. (afp)



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