Keine Lösung, nur Geschacher um das Asylproblem der EU

Das Asylproblem der EU wird zeitlich verlagert - jedoch nicht gelöst. Letztendlich könnte es Bestandteil eines großen Geschachers der Staats- und Regierungschefs um andere wichtige Reformprojekte werden.
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Flüchtlinge aus Libyen in Niger.Foto: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images
Epoch Times25. Januar 2018

Der Streit um Flüchtlingsquoten hat einen tiefen Keil zwischen Ost und West in der EU getrieben. Die längst überfällige europäische Asylreform steckt deshalb in der Sackgasse. Am Donnerstag haben die EU-Innenminister in Sofia einen neuen Anlauf genommen. Deutschland und andere Befürworter von Aufnahmequoten gingen aus taktischen Gründen vorerst in die Defensive. Spätestens im Juni dürfte der Streit aber erneut eskalieren.

„Moralischen Imperialismus“ hatten die Osteuropäer Deutschland im September 2015 vorgeworfen, nachdem sie von den EU-Innenministern per Mehrheitsbeschluss zur Aufnahme von Asylbewerbern verpflichtet wurden. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sollten die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland durch die Umverteilung von 120.000 Migranten entlastet werden. Tatsächlich verteilt wurden am Ende aber nur 33.000.

Ungarn und Polen haben bis heute keinen einzigen Flüchtling aufgenommen, Tschechien gerade mal ein Dutzend. Die EU-Kommission hat sie deshalb im Dezember vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Dort drohen ihnen nun saftige Geldstrafen. Auch die Slowakei lehnt die Flüchtlingsaufnahme ab.

Europas Asylreform hilft der Gang vor den Kadi nicht weiter. Aufgrund der Erfahrungen von 2015 und 2016 sieht auch sie in Krisenzeiten eine automatische Umverteilung vor. Diskutiert wird seit einem Jahr ein von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenes Drei-Stufen-Modell. Doch auch hohe Schwellen für die Aufnahmepflicht stießen in Osteuropa auf Ablehnung. An ihr will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) festhalten. Es sei „klar, dass natürlich eine solidarische Verteilung Bestandteil eines neuen gemeinsamen europäischen Asylsystems ist“, sagte er in Bulgariens Hauptstadt.

De Maizière zeigt sich aber weiter für Vorschläge offen, dass Solidarität mit belasteten Ländern auch in anderer Weise gezeigt werden kann – etwa durch Geldzahlungen oder die Bereitstellung von Grenzschützern. Die Betonung liegt aber auf auch. Null Flüchtlinge geht für den Minister nicht.

Der Quotenstreit spaltet, erklärte Donald Tusk

Auch in Brüssel hat aber mancher Zweifel. Im Dezember versuchte bereits der liberalkonservative polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk die Notbremse zu ziehen. Als „höchst spaltend“ habe sich der Quotenstreit erwiesen, schrieb er vor dem jüngsten EU-Gipfel. Der Ansatz sei letztlich „unwirksam“.

Die Umverteilungsbefürworter blicken unterdessen mit Sorge nach Wien, wo die rechtspopulistische FPÖ inzwischen mitregiert. Der neue FPÖ-Innenminister Herbert Kickl bekräftigte bei seinem ersten EU-Auftritt die Ablehnung von Quoten und warnte: Die EU erwarte „nichts Gutes“, wenn sie Mitglieder zur Flüchtlingsaufnahme zwinge.

De Maizière hielt zwar an seiner Drohung mit einem weiteren Mehrheitsbeschluss bei der Asylreform fest, versucht es vorerst aber mit einer anderen Verhandlungsstrategie, die sich in Sofia durchsetzte: Die Flüchtlingsfrage soll nun erst nach den anderen Teilen der Asylreform am Schluss beraten werden – in der Hoffnung, dass der Einigungsdruck dann so groß geworden ist, dass auch die Osteuropäer und Wien zumindest im Grundsatz eine Umverteilung mittragen.

Der Showdown ist damit für Juni programmiert. Bis dahin haben die Staats- und Regierungschefs den Ministern Zeit gegeben, die Reform zu retten. Klappt dies nicht, müssen sich die EU-Spitzen selbst mit dem Flüchtlingsstreit befassen.

„Die umstrittenen Fragen werden nicht durch die Minister entschieden“, zeigte sich ein Diplomat in Sofia bereits sicher. Und womöglich werde die Asylreform dann nur ein Bestandteil eines großen Geschachers der Staats- und Regierungschefs um andere wichtige Reformprojekte in Europa werden. (afp)



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