Liberale Anwältin wird erste Präsidentin der Slowakei – Will eine „klar pro-europäische Position“ vertreten

Die sozialliberale Politikerin Zuzana Čaputová hat die Präsidentschaftswahl in der Slowakei gewonnen. Laut vorläufigem Endergebnis kam sie in der Stichwahl am Samstag auf 58,4 Prozent der Stimmen.
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Die liberale Bürgeranwältin Zuzana Caputova (L) wird Präsidentin der Slowakei.Foto: Václav Šálek/CTK/dpa
Epoch Times31. März 2019

Die liberale Bürgeranwältin Zuzana Čaputová hat die Präsidentenwahl in der Slowakei klar gewonnen. Nach dem in der Nacht veröffentlichten inoffiziellen Endergebnis erreichte die 45-Jährige im entscheidenden zweiten Wahlgang 58,4 Prozent der Stimmen.

Ihr Gegner in der Stichwahl, der von den regierenden Sozialdemokraten nominierte EU-Kommissar Maros Sefcovic, kam auf 41,6 Prozent.

In einer ersten Reaktion dankte die Wahlsiegerin den Wählern nicht nur auf Slowakisch, sondern auch in den Sprachen der ungarischen und der Roma-Minderheit, sowie auf Tschechisch für ihr Vertrauen, das sie als Signal der Veränderung interpretierte. Sefcovic gratulierte ihr zu ihrem Erfolg. Ihre Anhänger feierten sie mit Sprechchören „Zuzana, Zuzana!“.

Čaputová will eine „klar pro-europäische Position“  vertreten

Sie werde wie ihr parteiloser Vorgänger Andrej Kiska eine „klar pro-europäische Position“ vertreten, sagte Čaputová kurz nach Mitternacht. Kiska war nicht mehr angetreten. Das offizielle Endergebnis der Abstimmung soll erst am Sonntagmittag bekannt gegeben werden, wie das Innenministerium in Bratislava der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Die formelle Amtsübergabe ist für 15. Juni festgelegt. Mit den Vertretern der sozialdemokratisch geführten Regierung von Regierungschef Peter Pellegrini erwarte sie eine „konstruktive Zusammenarbeit“. In den nächsten Tagen wolle sie sich mit Vertretern der Regierung treffen, um die Zusammenarbeit zu besprechen.

Wahlverlierer Sefcovic ließ ihr einen Blumenstrauß in ihre Wahlzentrale bringen. Er sei froh, dass auch er sich an der pro-europäischen Ausrichtung der Slowakei beteiligen habe können, sagte er nach seiner Gratulation. Beide Stichwahlkandidaten hatten im Unterschied zu ihren nach dem ersten Wahlgang ausgeschiedenen rechtsgerichteten Hauptkonkurrenten wiederholt betont, einen fairen Wahlkampf führen zu wollen.

Die vor zehn Jahren als Umweltaktivistin im Kampf gegen eine Mülldeponie erstmals politisch aktiv gewordene Čaputová betonte dies auch nach ihrem Sieg neuerlich: „Ich freue mich nicht nur über diesen Wahlsieg, sondern auch über die Art, wie er gelungen ist: Wir haben gezeigt, dass man nicht ein populistisches und aggressives Vokabular verwenden muss, um erfolgreich zu sein.“

Meinungsforscher: Čaputová profitierte von Stimmung gegen Korruption nach einem Journalistenmord

Nach Ansicht des Meinungsforschers Pavel Haulik konnte Čaputová vor allem davon profitieren, dass sie die nach der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten vor einem Jahr entstandene Stimmung gut gegen den Korruptionsfilz im Land ausnützen konnte. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und der slowakischen Regierung recherchiert. Sein unvollendeter Artikel wurde nach seinem Tod veröffentlicht und erschütterte das Vertrauen der Slowaken in ihre Regierung. Massenproteste führten zum Rückritt von Ministerpräsident Robert Fico.

Die politische Außenseiterin Čaputová hatte sich an den Protesten beteiligt. Ihr Wahlkampfslogan lautete „Dem Bösen die Stirn bieten“. Im Wahlkampf setzte sie sich für den Kampf gegen die Korruption und für einen politischen Wandel ein. Außerdem kämpft sie seit Jahren für mehr Umweltschutz, befürwortet das Recht auf Abtreibung und setzt sich für die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare ein.

Die Bürgerrechtlerin und Rechtsanwältin wurde auch vom scheidenden Präsidenten Andrej Kiska unterstützt. „Zuzana Caputova ist genau die Person, die die Slowakei aus der Krise führen kann“, sagte er nach der ersten Wahlrunde.

Nach der Wahl bestätigte sie diese von ihr erfüllte Erwartungshaltung der Bevölkerung: „Wir haben vielleicht gemeint, dass Fairness und Gerechtigkeit in der Politik nur ein intellektuelles Thema sind, aber in Wirklichkeit ist es der Wunsch unserer Menschen und unserer Gesellschaft.“

Viele Slowaken fuhren für Wahl zurück in die Heimat

Čaputová hatte bereits in den Umfragen deutlich vor Sefcovic geführt. Schon im ersten Wahlgang am 16. März errang die Umweltaktivistin mit fast 41 Prozent einen deutlichen Vorsprung auf den 52-jährigen Diplomaten, der mit nicht ganz 19 Prozent Zweiter wurde.

Insgesamt waren am Samstag mehr als 4,4 Millionen Stimmberechtigte zur Wahl ihres neuen Staatsoberhaupts für die nächsten fünf Jahre aufgerufen. Bei sonnigem Frühlingswetter verlief die Wahl bis zum Abend ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Auch viele Slowaken, die in den österreichischen und ungarischen Nachbargemeinden der Hauptstadt Bratislava oder in Tschechien leben, fuhren eigens über die Grenze, um an der Wahl teilnehmen zu können, die nur im Inland möglich ist.

Beobachter vergleichen Čaputová mit Macron

Beobachter haben Čaputová mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verglichen. „Eine ähnliche Geschichte entfaltete sich während der letzten Präsidentschaftswahl in Frankreich, wo der Vertreter des neuen politischen Trends und einer neuen politischen Bewegung sich durchsetzte“, erzählte die Politikanalystin Aneta Vilagi der AFP.

Anders als in Frankreich ist das Präsidentenamt in der Slowakei größtenteils auf repräsentative Funktionen beschränkt. Das Staatsoberhaupt kann allerdings internationale Verträge ratifizieren, hohe Richter ernennen und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. (dpa/afp)



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