Proteste bei Stilllegung von ältestem Atomkraftwerk Frankreichs in Fessenheim

Unter Protesten hat die Stilllegung des AKW Fessenheim begonnen. "Man hat dieses Kraftwerk auf dem Altar der Politik geopfert", erklärten regionale Politiker. Die Abschaltung des ersten Atommeilers verlief planmäßig.
Titelbild
Das AKW Fessenheim am 20. Februar 2020. FotoSEBASTIEN BOZON/AFP via Getty Images
Epoch Times23. Februar 2020

Mit der Abschaltung des ersten von zwei Reaktoren im elsässischen Fessenheim hat die Stilllegung des ältesten Atomkraftwerk Frankreichs begonnen. Die Abschaltung in dem nahe der deutschen Grenze gelegenen Akw wurde planmäßig in der Nacht zum Samstag abgeschlossen, wie der Betreiber Electricité de France (EDF) mitteilte. Während der Schritt in Deutschland und bei Umweltorganisationen Anlass zur Freude ist, übten die Belegschaft sowie Vertreter der örtlichen Behörden scharfe Kritik.

Das nahe der deutschen Grenze gelegene Atomkraftwerk Fessenheim hatte vor 43 Jahren den Betrieb aufgenommen. Die Abschaltung des ersten Meilers, eines 900-Megawatt-Druckwasserreaktors, begann am späten Freitagabend und wurde gegen 02.00 Uhr nachts abgeschlossen. Im Kontrollraum sei es dabei „emotional“ zugegangen, teilte EDF mit. Zuvor hatten Mitarbeiter noch damit gedroht, die geplanten Arbeitsschritte nicht zu befolgen.

Proteste gegen die Stilllegung

Fessenheims Bürgermeister Claude Brender kritisierte die Stilllegung, für die nach seinen Worten viele Menschen in der Region kein Verständnis haben, als „Sterbehilfe“. „Wir töten eine Maschine, die noch 20 Jahre hätte laufen können“, sagte er.

Am Samstag demonstrierten Regionalpolitiker gegen die Stilllegung. Auf einem Transparent warfen sie der Regierung von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron Wortbruch vor. Gemeindeverbandspräsident Gérard Hug kritisierte: „Man hat dieses Kraftwerk auf dem Altar der Politik geopfert.“ Am Samstagnachmittag demonstrierten außerdem rund 150 frühere Mitarbeiter des Atomkraftwerks sowie Pro-Atomkraft-Wissenschaftler und -Aktivisten.

Frankreichs Energieministerin Elisabeth Borne nannte die Abschaltung dagegen einen „historischen Schritt“ und versprach, es werde keinen Arbeitsplatzverlust geben. Aus Sicht des Umweltverbands BUND hätte das Atomkraftwerk Fessenheim „nie in Betrieb gehen dürfen“, wie ein Sprecher sagte. „So gesehen kommt die Abschaltung 43 Jahre zu spät“.

Brennelemente sollen bis 2023 entfernt werden

Deutschland und die Schweiz hatten schon seit Jahren auf die Abschaltung gedrungen, nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 nahm der Druck noch zu. Ursprünglich hatte die französische Regierung des damaligen Präsidenten François Hollande das Aus für das Akw Fessenheim bereits für Ende 2016 versprochen. Macrons Regierung gab aber erst 2018 endgültig grünes Licht.

Am 30. Juni soll Block zwei des Akw Fessenheim endgültig abgeschaltet werden. Es wird danach voraussichtlich mehrere Monate dauern, bis beide Reaktoren ausreichend abgekühlt sind und mit dem Rückbau des Atomkraftwerks begonnen werden kann. Die Brennelemente sollen bis 2023 entfernt werden. Die Demontage des Werks beginnt 2025 und könnte bis 2040 dauern.

Deutschland und Frankreich haben vereinbart, in der Region Fessenheim einen Technologiepark zu errichten. Dafür sind Startgelder in Höhe von rund einer Million Euro vorgesehen. Der Gewerkschafter und langjährige Akw-Mitarbeiter Jean-Luc Cardoso kritisierte, dass es „ein Luftloch von zehn Jahren“ gebe, bis der Technologiepark neue Arbeitsplätze biete. Laut französischer Regierung sollen die 750 Mitarbeiter des Akw Fessenheim in anderen EDF-Anlagen angestellt werden oder Unterstützung bei der Jobsuche erhalten.

In Deutschland abschalten, Atomstrom aus Frankreich importieren?

Bis 2035 sollen in Frankreich 14 Reaktoren abgeschaltet werden. Nach dem Aus für Fessenheim zählt das Land dann noch 56 Reaktoren in 18 Atomkraftwerken, die rund 70 Prozent des Stroms liefern. Das ist mit Abstand der höchste Anteil weltweit, bis 2035 soll er auf 50 Prozent sinken.

Fessenheim liegt in einem Erdbebengebiet, das Atomkraftwerk ist zudem nur unzureichend gegen einen möglichen Flugzeugabsturz, Anschlag oder Überflutungen geschützt. In der Vergangenheit gab es in dem Akw immer wieder Störfälle, die teilweise erst Monate später bekannt wurden.

Kritiker werfen der Bundesregierung vor, in Deutschland Atomkraftwerke abzuschalten und zugleich Atomstrom aus Frankreich zu importieren. In Deutschland sind noch sechs Atomkraftwerke am Netz: Grohnde und Emsland in Niedersachsen, Brokdorf in Schleswig-Holstein, Isar 2 und Grundremmingen in Bayern sowie Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Gemäß Atomgesetz werden die drei letzten Reaktoren spätestens Ende 2022 abgeschaltet. (afp)



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