Regierung hat „Wut der Franzosen vernommen“: Frankreich reagiert mit Zusagen auf heftige Proteste der „Gelbwesten“

Nach mehr als zweiwöchigen Protesten der "Gelbwesten" beugt sich die französische Regierung dem Druck des Volkes.
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Ein Mann hält die Flagge von Frankreich.Foto: iStock
Epoch Times5. Dezember 2018

Nach mehr als zweiwöchigen Protesten der „Gelbwesten“ beugt sich die französische Regierung dem Druck der Straße: Die zum Januar geplante Anhebung der Ökosteuer wird für sechs Monate aufgeschoben, wie Regierungschef Edouard Philippe am Dienstag ankündigte. Auch die staatlich regulierten Strom- und Gaspreise bleiben vorerst stabil.

Die „Gelbwesten“ kündigten dennoch weitere Proteste an. Die Regierung will die Polizeikräfte nach den Ausschreitungen vom Wochenende deutlich aufstocken.

„Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation zu gefährden“, sagte Philippe nach einer Krisensitzung unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron. Die Regierung habe die Wut der Franzosen vernommen, es sei die Wut einer hart arbeitenden Bevölkerung.

Nach den Worten des Premiers wird die Ökosteuer auf Diesel und Benzin nicht wie geplant zum Januar erhöht. Die Strom- und Gaspreise der staatlichen Energieversorger bleiben für die Wintermonate bis zum März stabil. Verbraucherverbände hatten einen deutlichen Anstieg befürchtet.

Erste Reaktionen der „Gelbwesten“ fielen überwiegend negativ aus: „Wir sind überhaupt nicht zufrieden“, erklärte eine Aktivistin in Bordeaux. Ein anderer „Gelbwesten“-Vertreter forderte umfassende Steuersenkungen und eine Anhebung von Löhnen und Renten, damit die Menschen in Würde leben könnten.

Steuersenkungen, wie sie die „Gelbwesten“ fordern, schloss Regierungschef Philippe aber vorerst aus. „Wenn die Steuern sinken, müssen auch die Ausgaben sinken“, betonte der Premier. Zudem verwies er auf die Anpassung des Mindestlohns an die Inflationsrate zum 19. Dezember. Die Protestbewegung will dagegen eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns erreichen.

In mehreren Landesteilen setzten Aktivisten ihre Proteste fort. In Lorient in der Bretagne, wo Sprit seit Tagen knapp wird, zeigten sich die Demonstranten jedoch „zufrieden“ und hoben die Blockade der Zugänge zu einem Treibstofflager auf. Auch im nordwestlich gelegenen Brest beendeten die Aktivisten eine Blockade.

Der Staatschef traf im Elysée-Palast erstmals mit einem Vertreter der „Gelbwesten“ zusammen. Dabei kam es zu einem kurzen Austausch mit dem Aktivisten, der während der Proteste in Hungerstreik getreten war, wie das Büro des Präsidenten mitteilte. Bei den Protesten wird immer stärker der Ruf nach einem Rücktritt Macrons laut.

Wegen der angekündigten neuen Proteste in Paris und an anderen Orten kündigte Innenminister Christophe Castaner die Mobilisierung von landesweit mehr als 65.000 Sicherheitskräften an. Zugleich rief Castaner bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Senats alle „vernünftigen Gelbwesten auf, sich von Extremisten zu distanzieren“ und am Samstag nicht in Paris zu demonstrieren.

Auch Regierungschef Philippe rief die Demonstranten zur Mäßigung auf: „Die Gewalt muss aufhören“, betonte er mit Blick auf angekündigte Proteste in Paris am Samstag.

Offenbar in deren Zusammenhang mit den erwarteten Kundegebungen wurden mehrere für Samstag geplante Erstliga-Fußballspiele abgesagt. Die Partien Paris Saint-Germain (PSG) gegen Montpellier und Toulouse gegen Lyon wurden auf Aufforderung der Behörden verschoben, wie der französische Fußball-Bund mitteilte. Der deutsche PSG-Trainer Thomas Tuchel äußerte Verständnis. „Für mich ist die Sicherheit am wichtigsten“, sagte er.

Ebenfalls am Samstag wollen Umweltaktivisten in Paris und mehr als 120 anderen Orten „Märsche für das Klima“ abhalten. Einen Appell von Innenminister Castaner, auf die Kundgebungen angesichts der angespannten Lage zu verzichten, wiesen die Organisatoren zurück.

Zudem riefen die Gewerkschaften CGT und FO zu einem unbegrenzten Streik im Transportwesen ab Sonntagabend auf. Sie bewerteten die Zusagen der Regierung vom Dienstag als unzureichend und warnten vor einem Verlust der Kaufkraft. Zudem laufen sie Sturm gegen eine Entscheidung des Staatsrats, die Vergütung von Überstunden für Fernfahrer zu kürzen.

Bisher kamen bei den Protesten vier Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt. Die Sachschäden liegen in Millionenhöhe. Das Innenministerium kündigte nach einem Treffen mit Polizeigewerkschaftern eine neue Strategie an.

Mittelfristig setzt die Regierung auf Gespräche mit „Gelbwesten“-Vertretern und Kommunalpolitikern, die vom 15. Dezember bis zum 1. März dauern sollen. Dabei soll es auch um die Forderung der „Gelbwesten“ gehen, öffentliche Dienstleistungen wie Post und Bahn wieder auszubauen, von denen einige Regionen abgeschnitten sind. (afp)



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