Thierry Baudet: Wie tickt der Shooting-Star der europäischen Rechten von morgen?

Der Wahlerfolg seines „Forums für Demokratie“ (FvD) bei den niederländischen Unterhauswahlen hat ihn über Nacht in Europa bekannt gemacht: Thierry Baudet. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch unterscheidet er sich deutlich sowohl von der Nachkriegsrechten als auch von frühen Populisten. Ein Porträt.
Titelbild
Thierry Baudet.Foto: BART MAAT/AFP/Getty Images
Von 21. März 2019

Wer ist dieser Thierry Baudet, der dem rechten „Forums für Demokratie“ (FvD) gestern einen fulminanten Wahlsieg in den Niederlanden ermöglicht hat? Mit dem 1983 in Heemstede als Sohn einer französisch-indonesischen Musikerfamilie geborenen Thierry Baudet ist ein Akteur auf den politischen Plan getreten, der zwar über sich selbst sagt, er sei durch den 11. September und den Mord an Pim Fortuyn geprägt worden – doch inhaltlich und stilistisch hebt er sich doch deutlich von Wilders ab.

Ich denke, dass Wilders PVV in wichtigen Punkten Recht hat: etwa bei Kontrolle der Einwanderung oder ‚Raus aus der EU‘“, so Baudet. „Ich denke nur, dass Wilders übers Ziel hinausschießt, wenn er den Koran verbieten oder Moscheen schließen will. Das ist einfach nicht realistisch!“

Baudet, der in Haarlem erst eine Montessori-Schule und dann das staatliche Gymnasium besucht hat, verfügt über zwei abgeschlossene Universitätsstudien in Geschichte und Rechtswissenschaften. Seinen bildungsbürgerlichen Hintergrund zeigte er auch bei seiner Antrittsrede als Parlamentsabgeordneter auf, die er mit einer lateinischen Wendung begann. Nicht zuletzt seine eigene internationale Familiengeschichte und die Tatsache, dass er mit einer Perserin liiert sein soll, macht ihn zudem zu einem post-ethnonationalistischen Vertreter der europäischen Rechten.

Kohärentes weltanschauliches Konzept

Was Baudet auch von vielen anderen Führern populistischer Parteien unterscheidet, ist, dass er selbst auch schon mehrere Bücher geschrieben hat. Zwar ist auch sein FvD den Sachzwängen des politischen Tagesgeschäfts und der Wählermaximierung unterworfen, die zu einer entsprechenden Verkürzung von Aussagen zwingt – dennoch lässt Baudet auch ein substanziiertes weltanschauliches Konzept hinter seiner Politik erkennen.

Bereits 2010 schrieb Reijer Passchier auf der Plattform des „Amsterdam Law Forum“, dass Baudet zu jenen Persönlichkeiten gehöre, die nicht nur die Niederlande, sondern ganz Europa bezüglich des Konservatismus erleuchten könnten.

Baudet selbst hat von Auftrag und Aufgabe des Konservatismus eine klare Vorstellung:

„Die Dichotomie zwischen Sozialismus und Liberalismus zentralisiert die Wahl zwischen Staat und Markt. Im Sozialismus gibt es keinen Platz für das Unternehmertum. Der Liberalismus wiederum stimuliert das Unternehmertum, aber gleichzeitig erlaubt er es, alles zu tun, solange es lukrativ ist. An dieser Stelle bringt der Konservatismus eine dritte Dimension ins Spiel, wobei er der persönlichen Verantwortung ein besonderes Augenmerk widmet.“

Bereits im März 2010 erschien die von Thierry Baudet und Michiel Visser verfasste Schrift „Konservativer Fortschritt“ (Conservatieve Vooruitgang), in dem die Autoren einen grundsätzlichen neuen Zugang zu ethischen und politischen Fragen anmahnen. Es streift Themen wie Dauerhaftigkeit einer Ordnung, verantwortlichem Unternehmertum, Populismus und die Rolle von Bildung, Religion und Kultur.

Zudem porträtieren die Autoren zwanzig konservative Denker des 20. Jahrhunderts und deren Ideen, die sie auch als prägend für einen Konservatismus von morgen ansehen. Zu diesen gehören unter anderem Theodore Dalrymple, Roger Scruton, Leo Strauss, C.S. Lewis, Friedrich August von Hayek oder T.S. Eliot.

Das „gute Leben“ als Maßstab

Ein wesentlicher Aspekt des modernen Konservatismus ist die grundsätzliche Skepsis gegenüber dem linearen Weltbild der Progressiven, demzufolge mit steigendem Wohlstand und einem unbestreitbaren technologischen Fortschritt automatisch auch eine moralische Weiterentwicklung der Gesellschaft einhergegangen sei. Es gebe kulturelle Werte und Wahrheiten, die unwandelbar seien und die durch die Tradition weitergetragen würden. Auch moderne Konstrukte wie die „Menschenrechte“ hätten dort ihre Wurzeln und seien nicht durch eine liberale Verfassung entstanden, sondern aus einem Kampf zwischen Mächten des Guten und des Bösen. Dieser Ansatz ist nahe an jenem der US-amerikanischen Gründervater von den gottgegebenen Rechten, die nicht der staatlichen Autorität unterliegen.

Außerdem seien Sicherheit und die Verteilung von Gütern nicht die einzigen Aufgaben eines Gemeinwesens. Es gehe auch darum, das „gute Leben“ zur Entfaltung kommen zu lassen – für den Einzelnen wie für die Allgemeinheit. Über den Wert oder Unwert einer Handlung hätten nicht allein Individuen oder demokratische Mehrheiten zu entscheiden, sondern auch Kultur, Tradition und Naturrecht, die eine entscheidende Rolle bei der Definition dessen spielten, was moralisch gut sei und was nicht. Mit Leo Strauss argumentiert Baudet, dass ein Mindestmaß an moralischer Wahrheit überlebenswichtig für eine Gesellschaft sei. Deren Werte seien „gegeben“ und wichtig, um den ursprünglich zur Barbarei neigenden Menschen zu kultivieren.

Ein dritter wesentlicher Aspekt des modernen Konservatismus sei die Kulturanalyse und Kulturkritik – die sich sowohl auf das Individuum als auch auf den Staat richten müssten. Neben einem zunehmenden moralischen Relativismus und dessen Folgen wie Zerfall von Ehe und Familie sei auch die stetige Ausdehnung des Staatsapparates und seiner Macht etwas, dem Konservative entgegentreten müssten. Der Etatismus unterminiere Kreativität und Vitalität in der Gesellschaft – und wecke falsche Hoffnungen darauf, dass dieser die Lösung für individuelle Probleme kenne.

„Die Weite seines Horizonts macht den Konservatismus aus“

Die Entwurzelung und soziale Entfremdung von Menschen mache sie unfähig, ihre Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen. Wenn dazu noch ein mächtiger Staatsapparat stoße, trete, so Baudet, ein moralischer Verfall ein, der einer der wesentlichen Gründe für Totalitarismus sei.

Auch auf Deutsch verfügbar ist Baudets 2013 erschienenes Werk „Oikophobie – Der Hass auf das Eigene und seine zerstörerischen Folgen“, das unter anderem auch bekannte AfD-Politiker wie Marc Jongen oder Björn Höcke inspiriert hat. Baudet geht darin von Selbsthass als einem wesentlichen Faktor eines kulturellen und moralischen Niedergangs des Abendlandes aus. Dieser äußere sich unter anderem auch in abstrakter Malerei, atonaler Musik, moderner Architektur und vielen Bereichen der Gegenwartskunst.

Was den Konservatismus von anderen philosophischen und weltanschaulichen Strömungen unterscheide, sei, dass er an die menschliche Moral deutlich höhere Ansprüche stelle:

Kultur, Tradition, Religion und viele andere Faktoren müssen berücksichtigt werden, wenn wir Antworten auf die ewigen Fragen geben. Es ist die Weite des konservativen Horizonts, die diese Doktrin am interessantesten macht. Seine Vorstellung von Glück ist mehr als nur Freiheit, Möglichkeiten und Geld. Konservatismus verbindet Glück und Moral, was sein Denken zu einem ganzheitlichen macht.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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