Türkei will Fakten schaffen: Konfrontation in Streit um Gasvorkommen vor Zypern

Gemäß dem UN-Seerechtsübereinkommen gibt es für Meeresanrainer Wirtschaftszonen, in denen ausschließlich die Staaten selbst das Nutzungsrecht haben. Die Türkei erkennt die Rechte Zyperns jedoch nicht an und vergibt in dessen Wirtschaftszone Konzessionen zum Abbau von Erdgas.
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Am 24. Juni 2019 im Mittelmeer vor Zypern etwa 20 Seemeilen nordwestlich von Paphos: Das Bohrschiff Fatih, das von der Türkei zur Suche nach Gas und Öl in Gewässern eingesetzt wurde, drang in Gewässer der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) ein. Ankara betrachtet einen Großteil der zypriotischen AWZ als Teil des Festlandsockels und gewährte Turkish Petroleum in den Jahren 2009 und 2012 Explorationslizenzen.Foto: -/AFP/Getty Images
Epoch Times14. Juli 2019

Im Streit um die Ausbeutung der Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer geht die Türkei auf Konfrontationskurs zur EU. Als Ankara kürzlich ein zweites Schiff für Probebohrungen vor die Küste von Zypern entsandte, verurteilte nicht nur die zyprische Regierung in Nikosia den Schritt, sondern auch Brüssel.

Die EU-Staaten drohen der Türkei wegen ihres Vorgehens mit Sanktionen. Doch scheint Ankara gewillt, das Risiko einzugehen.

Für die Türkei geht es in dem Streit nicht allein um die Ausbeutung der Gasvorkommen, die in den vergangenen Jahren im östlichen Mittelmeer entdeckt wurden. „Jenseits von Energie versucht die Türkei ihre Macht in der Region durchzusetzen“, sagt Harry Tzimitras, Direktor des Prio Cyprus Centre. Die Türkei habe das Bedürfnis, „sich Gehör zu verschaffen“. Da sie auf diplomatischer Ebene isoliert ist, versucht sie nun, vor Ort Fakten zu schaffen.

Türkische Zyprer schlagen im Streit um Gasvorkommen gemeinsames Komitee vor

Im Konflikt um die Ausbeutung von Gasvorkommen vor Zypern hatte der Chef der türkischen Zyprer, Mustafa Akinci, ein gemeinsames Komitee mit Regierungsvertretern des international anerkannten Südteils der Insel vorgeschlagen. Auf diese Weise könne das strittige Thema in eine „produktive Kooperation“ münden, erklärte Akinci am Samstag in einer Botschaft an den zyprischen Staatschef Nicos Anastasiades.

Akincis Vorschlag zufolge sollte das Komitee zu gleichen Teilen mit Vertretern des Nordteils und der Regierung Zyperns besetzt sein. Die Arbeit des Gremiums soll von der UN überwacht werden, der EU soll darin den Status eines Beobachters erhalten.

In einem von der EU als illegal eingestuften Akt entsandte die Türkei zwei Bohrschiffe in die sogenannte zyprische Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Mit der Entsendung der beiden Bohrschiffe „Yavuz“ und „Fatih“ unter dem Schutz ihrer Marine versucht sie, ihre Ansprüche durchzusetzen. Im Februar 2018 zwang die türkische Marine sogar ein Schiff des italienischen Ölkonzerns Eni zum Abzug aus dem umstrittenen Gebiet.

Einen Teil des Seegebiets vor Zypern beansprucht die Türkei als Teil ihrer eigenen Wirtschaftszone. Sie vergab Förderlizenzen für das Seegebiet an das Unternehmen Turkish Petroleum. Einen anderen Teil sieht sie als Lizenzgebiet der türkischen Zyprer und verlangt deren Beteiligung an der Ausbeutung. Die EU berät derzeit über mögliche Sanktionen gegen die Türkei wegen der Entsendung der Bohrschiffe. Bislang gab es auf Botschafterebene in Brüssel aber keine Einigung.

Die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten sollen sich bis zu einem Treffen der EU-Außenminister am Montag auf ein Maßnahmenpaket verständigen. Sollten sie sich bis dahin nicht einigen, müssten die Minister dies eventuell auf höherer Ebene klären.

Türkei stellt sich gegen alle: Küstenlinie soll gelten

Die Türkei liegt hinsichtlich der Aufteilung des Seegebiets mit allen Anrainerstaaten über Kreuz. Während sich Zypern, Griechenland, Israel und Ägypten in den vergangenen Jahren gemäß dem UN-Seerechtsübereinkommen auf die Absteckung ihrer jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszonen geeinigt haben, beharrt die Türkei als einziger Staat darauf, dass zur Abgrenzung allein die Küstenlinie der Festlandsmasse herangezogen wird.

Ankara erkennt die ausschließliche Wirtschaftszone Zyperns nicht an, in der Nikosia bereits Verträge mit Ölkonzernen wie ExxonMobil, Total und Eni geschlossen hat. Ankara sieht das Vorgehen Zyperns als illegal an – ohne die Zustimmung und Beteiligung der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ).

„Unsere Aktivitäten in unserem Kontinentalschelf basieren auf unseren legitimen Rechten“, betont die türkische Regierung. Das zweite Bohrschiff sei im Lizenzgebiet der TRNZ aktiv, das der Firma Turkish Petroleum zugeteilt worden sei. „Die Türkei wird weiterhin sowohl ihre eigenen Rechte innerhalb ihres Kontinentalschelfs als auch die Rechte der türkischen Zyprioten im östlichen Mittelmeer mit Entschlossenheit schützen“, betont Ankara.

EU berät über Sanktionen

Die EU sieht das Vorgehen der Türkei jedoch als illegal an und berät derzeit über die Verhängung von Sanktionen. Der Experte Özgür Unluhisarcikli vom German Marshall Fund in Ankara glaubt aber nicht, dass die EU mehr als „symbolische“ Sanktionen beschließen werde.

Ohnehin sei der Einfluss der EU in der Türkei nur noch begrenzt, da die Beitrittsgespräche auf Eis liegen. „Die EU zu verlieren, ist nicht mehr so wichtig wie früher“, sagt er.

Auch von den USA drohen der Türkei laut dem Experten kaum Konsequenzen jenseits der Sanktionen, die ihr ohnehin wegen des Kaufs russischer S-400-Raketen drohen.

Nach Ansicht von Unluhisaricikli ist das Risiko für die Türkei in dem Gasstreit begrenzt, da niemand ein Interesse an einem militärischen Konflikt habe. Allerdings warnt er, dass in der angespannten Situation immer die Gefahr bleibe, dass ein Vorfall zur Eskalation führt.

Griechischer Süden und türkischer Norden

Die Mittelmeerinsel Zypern ist seit 1974 in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden geteilt. Damals hatte die türkische Armee nach einem Militärputsch der griechischen Zyprer den Nordteil der Insel besetzt.

Die seitdem bestehende Türkische Republik Nordzypern wird allerdings nur von Ankara anerkannt. Völkerrechtlich ist die ganze Mittelmeerinsel seit 2004 Mitglied der EU. Gespräche über eine Wiedervereinigung der beiden Inselteile liegen seit 2017 auf Eis. (afp)



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