Venedig-Kommission kritisiert erneut Reform des Verfassungsgerichts in Polen

Das von der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dominierte Parlament hatte im Dezember eine Justizreform verabschiedet, die das Verfassungsgericht erheblich schwächt. Im Juli verabschiedete es ein Gesetz, mit dem ein Streit mit der EU über die Justizreform entschärft werden sollte.
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Die polnische Premierministerin Beata Szydlo.Foto: PHILIPPE HUGUEN/AFP/Getty Images
Epoch Times15. Oktober 2016

Die sogenannte Venedig-Kommission des Europarates hat sich erneut besorgt über die Reform des polnischen Verfassungsgerichts durch die rechtskonservative Regierung geäußert. Zwar sei die umstrittene Reform mittlerweile etwas abgemildert worden, erklärte das Gremium, dem angesehene Verfassungsrechtler aus 60 Ländern angehören, am Freitag in Straßburg. Die Änderungen könnten aber weiterhin „die Arbeit des Gerichts verzögern und behindern“ und „möglicherweise seine Arbeit wirkungslos machen“.

Das von der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dominierte Parlament hatte im Dezember eine Justizreform verabschiedet, die das Verfassungsgericht erheblich schwächt. Im Juli verabschiedete es ein Gesetz, mit dem ein Streit mit der EU über die Justizreform entschärft werden sollte.

Nach Auffassung der Venedig-Kommission besteht weiter die Gefahr, dass das polnische Verfassungsgericht künftig nicht mehr unabhängig arbeiten kann. So  sei vorgesehen, dass der polnische Präsident den Vorsitzenden des Gerichts auswähle.

Der polnische Regierungssprecher Rafal Bochenek wies die Einschätzungen der Europaratsjuristen als „befangen“ zurück. Die Experten hätten rechtliche Hinweise während ihrer mehrfachen Besuche in Warschau ignoriert,. Ihre Einschätzung enthalte „sachliche Irrtümer“. Es komme der polnischen Regierung zu, Reformen auszuarbeiten, „nicht internationalen Institutionen, die nicht wissen, wie unser Rechtssystem in Gänze funktioniert“, sagte der Regierungssprecher.

Der Vorsitzende der Venedig-Kommission, Gianni Buquicchio, kritisierte die Regierung in Warschau in polnischen Medien: „Die Venedig-Kommission wurde zum ersten Mal damit konfrontiert, dass ein Land es ablehnte, mit ihr zu kooperieren.“

Warschau hatte keinen Vertreter zu den Beratungen der Kommission über die umstrittene Reform geschickt und den Rechtsexperten des Europarates vorgeworfen, mit der Opposition in Polen zu sympathisieren. Buquicchio bezeichnete dies nun als „Beleidigungen“.

Auch die Europäische Union nimmt Anstoß an der Justizreform. Mitte Januar leitete die EU-Kommission gegen Polen erstmals überhaupt eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat ein. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben.

Im Juli gab die EU-Kommission Warschau drei Monate Zeit, um ihre Empfehlungen für eine Überarbeitung umzusetzen. Diese Frist läuft Ende Oktober ab. Ohne zufriedenstellende Lösungen schließt die Kommission Sanktionen nicht aus. Diese können bis zum Entzug der Stimmrechte im Rat der EU-Staaten gehen. (afp)



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