Vor Seehofers Besuch in Wien: Vize-Kanzler Strache: Keine Asyl-Lösung zulasten Österreichs

Die Unionsparteien haben einen Asylkompromiss gefunden - nun brauchen sie den Koalitionspartner SPD und den Nachbarn Österreich für die Umsetzung. Mit beiden stehen wichtige Gepräche an.
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FPÖ-Mann Strache (r) will nicht, dass Österreich «für die Fehler der deutschen Politik bestraft» wird.Foto: Robert Jaeger/APA/dpa
Epoch Times5. Juli 2018

Kurz vor dem heutigen Besuch von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Wien hat Österreich bekräftigt, keine Lösung des deutschen Asylstreits zu seinen Lasten zu akzeptieren.

„Es kann ja nicht sein, dass wir jetzt in Österreich plötzlich für die Fehler der deutschen Politik bestraft werden sollen“, sagte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) der „Bild“-Zeitung.

Seehofer will in Wien mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Strache ausloten, ob das Nachbarland bereit wäre, bestimmte Flüchtlinge aus den geplanten Transitzentren aufzunehmen. Dabei geht es um solche Menschen, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig wäre, das aber wiederum mit Deutschland keine Rücknahme-Vereinbarung schließen will – wie bislang etwa Italien. Eine Zustimmung Österreichs ist deshalb der zentrale Baustein für den gesamten Asylkompromiss, mit dem CDU und CSU nach wochenlangem Streit den Bruch ihres Bündnisses und damit der Bundesregierung vorerst abgewendet haben.

Nach Seehofers Rückkehr geht es am Abend gleich weiter: Dann wollen Union und SPD bei einem weiteren Spitzentreffen über den Unionsvorschlag verhandeln – eine Einigung scheint nicht ausgeschlossen.

Wünschenswert wäre aus Sicht der Union auch eine Vereinbarung mit Italien. Angesichts des Abblockens der Regierung in Rom droht CSU-Generalsekretär Markus Blume bereits: „Italien muss wissen: Wenn es kein Abkommen gibt über die Rücknahme von Asylbewerbern, für die Italien zuständig ist, werden wir an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen.“ Es sei zwar immer besser, kooperativ als konfrontativ zu arbeiten, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). „Aber Deutschland darf nicht der Dumme sein, wenn sich die anderen der Kooperation verweigern.“

Blumes CSU-Kollegin Andrea Lindholz, die Vorsitzende des Bundestag-Innenausschusses, sagte dem Magazin „Focus“: „Nachdem Deutschland seine Nachbarn in der Flüchtlingskrise so massiv entlastet hat, wäre jetzt ein Entgegenkommen mehr als angemessen. Entscheidend ist die Kooperation mit Österreich.“

Parallel zu Seehofers Verhandlungen in Wien will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen der härtesten Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik empfangen, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.

Seehofer traf sich mit ihm bereits am Mittwoch. Wie die „Bild“-Zeitung (Donnerstag) aus Orbans Umfeld erfuhr, bekräftigte der Ministerpräsident dabei seine Haltung: Ungarn müsse laut EU-Recht keine illegal eingewanderten Menschen aufnehmen, da sie Europa über andere, sichere Länder beträten. Ungarn sei aber „gerne dabei behilflich, diese Schutzsuchenden in das jeweilige Erstankunftsland zurückzuführen“.

Ungarn ist eines der Länder, von denen Merkel nach eigenen Angaben auf dem EU-Gipfel in Brüssel eine Zusage dafür erhalten hat, ein Verwaltungsabkommen über die Rücknahme bei ihnen registrierter Flüchtlinge abzuschließen. Allerdings sagte Orban nach dem Gipfel, es sei noch „zu keinerlei Vereinbarung gekommen“ – was von einigen Medien als Dementi interpretiert worden war, obwohl es um künftig zu schließende Abkommen ging.

Der frühere Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), rechnet nicht mit einem Entgegenkommen Orbans.

„Orban hilft der Kanzlerin nicht aus der Patsche. Er will keine Flüchtlinge, das hat er klargemacht“, sagte Lambsdorff dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag).

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag), die Union habe „Inhaftierungslager“ im Sinn – und diese seien „völlig inhuman, widersprechen dem geltenden europäischen Recht und stehen damit bedenklich nah an der Politik von Viktor Orban“.

Die von CDU und CSU vorgeschlagenen Transitzentren für zurückzuführende Migranten sind nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ohnehin rechtlich fragwürdig und nicht praktikabel. „Was hier abgeliefert wird ist Stückwerk, weil es andere deutsche Grenzen nicht betrachtet und dafür keine Konzepte liefert“, bemängelte der Vizevorsitzende Jörg Radek. Eine GdP-Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, moniert etwa einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip: Migranten würden an der Grenze zu Österreich festgehalten, während sie andere deutsche Grenzen ungehindert passieren könnten. Für sinnvoller hält Radek einen anderen Vorschlag sowohl von Merkel als auch Seehofer – eine Schleierfahndung hinter den Grenzen.

Die schwebt auch dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) vor, in dessen Land Migranten vor allem über Tschechien und Polen kommen.

„Ich setze sehr darauf, dass Personen, die in der Schleierfahndung an der deutsch-polnischen oder deutsch-tschechischen Grenze aufgegriffen werden, in die Ankerzentren kommen und dort die Verfahren massiv verkürzt werden“, sagte Kretschmer der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte den Unionskompromiss. „Ich habe den Eindruck, dass dieser wackelige Kompromiss zwischen CDU und CSU sehr schnell wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen kann“, sagte er dem Magazin „Frankfurter Allgemeine Woche“. Dieser habe einen „symbolischen Charakter und ist komplett auf die bayerische Landtagswahl ausgerichtet. In der Sache selbst hat er aber nicht weitergeholfen.“

Die SPD ist unter anderem strikt gegen eine geschlossene, gefängnisähnliche Unterbringung. Die Union verweist dagegen darauf, dass die Transitzentren nicht geschlossen seien, weil Migranten von dort zwar nicht nach Deutschland einreisen könnten, aber nach Österreich zurückkehren dürften. (dpa)



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