Wahldebakel und „Schnaps und Frauen“-Spruch: Die Tage von Dijsselbloem als Eurogruppen-Chef sind gezählt

Die Tage des Niederländers Jeroen Dijsselbloem als Eurogruppen-Chef sind nun wohl gezählt. Mit der Aussage die finanziell angeschlagenen südlichen EU-Länder hätten ihr Geld für "Schnaps und Frauen" ausgegeben, löste er einen Proteststurm im Süden der Währungsunion aus. Zudem erlebte seine Partei ein Wahldesaster.
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Jeroen DijsselbloemFoto: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images
Epoch Times6. April 2017

Noch vor kurzem konnte Jeroen Dijsselbloem hoffen, bis Anfang 2018 Chef der Eurogruppe zu bleiben. Dann erlebten seine Sozialdemokraten in den Niederlanden ein Wahldesaster, was ihn demnächst seinen Job als Finanzminister kosten dürfte.

Kurz darauf löste der 51-Jährige mit einem Spruch über südländische Geldverschwendung für „Schnaps und Frauen“ einen Proteststurm im Süden der Währungsunion aus. Beim Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag kann der Niederländer nun ausloten, wie lange er seinen Job noch behalten darf.

Seit gut vier Jahren leitet Dijsselbloem die Treffen der Euro-Finanzminister. Im Januar 2013 übernahm er den prestigeträchtigen Posten vom heutigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Von Anfang an gab es Zweifel an seiner Eignung. Denn der Sozialdemokrat war zum Zeitpunkt seiner Ernennung erst seit elf Wochen Finanzminister und hatte keinerlei Erfahrung in diesem Bereich.

In den Niederlanden war Dijsselbloem ab 1993 zunächst Referent für Umwelt und Landwirtschaft der Parlamentsfraktion seiner sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA). Von 1996 bis 2000 arbeitete er im Agrarministerium. Als Parlamentsabgeordneter war er 2007 und 2008 Vorsitzender eines Ausschusses zur Schulreform.

Dass Dijsselbloem nach seiner Ernennung zum Finanzminister im November 2012 schnurstracks Eurogruppen-Chef wurde, hatte er vor allem seiner Nationalität zu verdanken. Denn die Niederlande gehörten zu den wenigen Euro-Ländern, deren Finanzlage in der Krise noch mit der Spitzennote „AAA“ bewertet wurde. Das Land erschien aber zugleich nicht so dominant wie Deutschland.

„Ich werde ganz bestimmt versuchen, Brücken zwischen dem Norden und dem Süden zu bauen“, versprach Dijsselbloem zum Amtsantritt und setzte sich im März 2013 postwendend bei der Zypern-Rettung in die Nesseln. Nach der Einigung auf einen Hilfsplan für das Krisenland deutete er an, dass dieser Vorbild für weitere Rettungsaktionen sein könnte.

Problem: Die damalige Zypern-Rettung sah eine massive Beteiligung von Bankanlegern vor und die Abwicklung einer Bank. Europas Börsen reagierten mit starken Kursverlusten, auch der Euro geriet unter Druck. Ein Finanzanalyst verglich Dijsselbloem damals mit einem „wandelnden Pulverfass“.

Durch die Dauerkrise um das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland steuerte Dijsselbloem dann weitgehend unbeschadet. Er hatte inzwischen gelernt, dass jedes seiner Worte an den Finanzmärkten auf die Goldwaage gelegt wird.

Als Fan des Sozialdemokraten zeigte sich zuletzt auch sein konservativer Kollege Wolfgang Schäuble, der vor Dijsselbloems Wiederwahl 2015 anfangs noch den Spanier Luis de Guindos unterstützt hatte. Der Bundesfinanzminister schloss im März nicht aus, dass der Niederländer auch ohne Finanzministerposten bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit Anfang 2018 Eurogruppen-Chef bleibt.

Schäubles Kollegen sind in der Frage jedoch gespalten. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling schließt dies kategorisch aus. Beobachter erwarten auch wenig Begeisterung für eine solche Lösung bei der neuen Regierung in Den Haag, wenn ihr die Sozialdemokraten wie erwartet nicht mehr angehören.

Inzwischen hat sich Dijsselbloem auch noch selbst ein Bein gestellt. Wer in Europa Solidarität einfordere, habe auch Pflichten, sagte er in einem Interview kurz nach der Niederlande-Wahl zu Finanzhilfen. „Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.“

Aus Italien und Portugal kamen postwendend Rücktrittsforderungen, auch dutzende Abgeordnete fast jeder Couleur im Europaparlament halten ihn nicht mehr für tragbar. Trotz mehrfacher Entschuldigung sind die Tage des Niederländers als Eurogruppen-Chef nun wohl gezählt. (afp)



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