„Wir beschützen die Demokratie!“: Tausende Polen demonstrieren in Warschau gegen Justizreform der Regierung

Die Demonstranten in Warschau, deren Zahl der Polizei auf rund 4500 bezifferte, warfen der polnischen Regierung vor, die Justiz unter Kontrolle bringen und die Gewaltenteilung abschaffen zu wollen.
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Anti-Regierungsdemonstration in Warschau, Polen. 16. Juli 2017.Foto: JANEK SKARZYNSKI/AFP/Getty Images
Epoch Times17. Juli 2017

In der polnischen Hauptstadt Warschau sind am Sonntag mehrere tausend Menschen aus Protest gegen die Justizreformen der rechtskonservativen Regierung auf die Straße gegangen.

Die Demonstranten, deren Zahl der Polizei auf rund 4500 bezifferte, warfen der Regierung vor, die Justiz unter Kontrolle bringen und die Gewaltenteilung abschaffen zu wollen. Vor dem Obersten Gerichtshof demonstrierte später eine Richtervereinigung.

Das Parlament hatte zuvor mehrere Vorlagen verabschiedet, welche den Einfluss der von Partei PiS gestellten Regierung auf die Gerichte erheblich ausweitet. In Sprechchören vor dem Parlamentsgebäude bezeichneten die Kundgebungsteilnehmer den PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski als „Diktator“. Sie skandierten: „Wir beschützen die Demokratie!“ Die Stadtverwaltung sprach von mehr als 10.000 Teilnehmern bei der Demonstration.

Die beiden wichtigsten Oppositionsführer – Grzegorz Schetyna von der moderaten Bürgerplattform und Ryszard Petru von der liberalen Partei Nowoczesna – nahmen an dem Protestmarsch teil. Sie kündigten eine Zusammenarbeit an, um die Justizreformen zu stoppen.

Die nationalkonservative Regierung hat seit ihrem Amtsantritt vor rund einem Jahr eine Reihe von Reformen umgesetzt, die nicht nur von der Opposition, sondern auch von der EU als Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit kritisiert werden. Erst am Samstag hatte der polnische Senat zwei umstrittene Vorlagen verabschiedet.

Eine der Vorlagen sieht vor, dass das Parlament künftig über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden soll. Dem bislang als unabhängig geltenden Gremium obliegt die Besetzung der Richterposten im Land. Die zweite Vorlage erlaubt es dem von der PiS gestellten Justizminister, die Posten der Präsidenten an den ordentlichen Gerichten des Landes direkt zu besetzen.

Am Donnerstag hatte die PiS einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, mit dem der Oberste Gerichtshof dem Justizministerium unterstellt werden soll.

Vor dem Obersten Gerichtshof demonstrierte am Sonntag eine Richtervereinigung. Nach Angaben der Stadtverwaltung nahmen an dem Protest 17.000 Menschen teil. Sie hielten Kerzen in den Händen und sprachen sich für „freie Gerichte“ aus.

„Diese ganzen (juristischen) Vorlagen sind ein Skandal“, sagte Anwältin Agnieszka Janczarska, die an beiden Protestveranstaltungen in Warschau teilnahm. „Es ist die Zerstörung der fundamentalen Prinzipien eines demokratischen Staates.“ Demonstrationen gab es am Sonntag auch in anderen polnischen Städten, darunter Krakau, Stettin und Breslau.

Kritiker werfen der polnischen Regierung Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz vor, wodurch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung beschädigt würden. Trotz der Kritik treibt die Regierung ihre Bestrebungen zum Ausbau der Kontrolle über die Justiz voran.

Die EU-Kommission hatte bereits im Januar vergangenen Jahres ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet. Die ehemalige Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, Gesine Schwan, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagsausgabe), die rechtlichen Möglichkeiten der EU, gegen Polen vorzugehen, seien wegen des Einstimmigkeitsprinzips allerdings gering. Insbesondere der ebenfalls rechtsgerichtete ungarische Ministerpräsident Viktor Orban stehe dem entgegen. Es müsse geprüft werden, ob es „finanzielle Hebel“ gebe.

Der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, sagte dem Blatt, das Europaparlament solle beim Ministerrat die Prüfung beantragen, „ob bei Polen damit die eindeutige Gefahr einer schwer wiegenden Verletzung der EU-Grundwerte vorliege, um den Druck vonseiten der EU zu erhöhen“. (afp)



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