Innere Mongolei: Warum Peking Unruhe schafft, wo es zuvor ruhig war

Geht es bei den neuesten Spannungen in der Inneren Mongolei um die Assimilation der Minderheitsvölker an die chinesische Kultur und Sprache? Nein. Es geht um Gleichschaltung und Assimilation in die Parteikultur.
Von 8. September 2020

Seit einer Woche gibt es immer wieder Demonstrationen und Streiks in zahlreichen Städten im nördlichen chinesischen Landteil Innere Mongolei. Der Auslöser für diese Protestwelle sind die neuen Vorgaben für den Schulunterricht. Peking schreibt vor, dass von nun an die Erstklässler viele Fächer nur noch auf Chinesisch lernen.

Die Mongolen in China gelten der Regierung bisher als in hohem Maß integriert. Unabhängigkeitsansprüche oder bewaffneten Widerstand hat es seit 70 Jahren nicht mehr gegeben. Die neue Sprachpolitik Pekings hat jedoch eine heftige Protestwelle in diesem friedlichen Gebiet ausgelöst. Eine bisher nie vorgekommene Unruhe herrscht in der Inneren Mongolei.

Für die Machthaber in Peking gibt es zurzeit genug Probleme, die Ihnen beträchtliche Kopfschmerzen bereiten, wie z.B. der Handelskrieg mit den USA, die Eskalation des Konflikts mit Indien und die internationale Kritik der Unterdrückung der Uiguren. Wozu schafft Peking gerade jetzt ein weiteres Problem in der Inneren Mongolei, wo es eigentlich ruhig ist?

Was war bisher geschehen?

Bevor wir zu der Frage kommen, warum Peking unbedingt jetzt mit der neuen Sprachpolitik einen Konflikt in der Inneren Mongolei erzeugt, fasse ich erstmal zusammen, was bisher geschehen ist.

Im September beginnt das neue Schuljahr in China. Die Klassenzimmer vieler mongolischer Schulen in der Inneren Mongolei sind aber leer. Denn sowohl Lehrer als auch Schüler befinden sich im Streik. Sie protestierten gegen die neue Sprachpolitik von Peking.

Das Bildungsministerium der Inneren Mongolei informierte die Schulen nur zwei Wochen vor Unterrichtsbeginn über die Schulreform. Und zwar, dass einige Kernfächer fortan nur noch auf Chinesisch unterrichtet werden. Die betroffenen Fächer sind Sprache und Literatur, Werteunterricht (Politik) und Geschichte. Andere Fächer wie Mathematik, Naturwissenschaften oder Musik dürfen weiterhin in Mongolisch angeboten werden. Nach diesen Reglungen wurden Lehrpläne verändert, Schulbücher ausgetauscht.

Zwar gab es diese Reglung auch schon vorher, doch das Neue daran ist: a) Die neue Sprachreglung gilt schon für die Kinder im ersten Schuljahr. Mongolische Kinder werden schon auf Chinesisch unterrichtet, sobald sie die Schule besuchen; b) Eltern und Kinder haben keine andere Wahl. Früher durften sich die Eltern selber entscheiden, ob sie ihre Kinder in eine mongolische oder chinesische Schule schicken wollen.

Die Mongolen befürchten, dass die mongolische Sprache künftig noch weiter verdrängt wird und die mongolische Kultur verloren geht.

Eltern wollen ihre Kinder befreien

Ein Mitarbeiter einer Schule im Bezirk Naiman teilte der Presse mit, dass sich für dieses Schuljahr statt der üblichen 1.000 Schülerinnen und Schüler etwa nur 40 angemeldet hätten. Zu stürmischen Szenen ist es auch in einem Internat gekommen. Dort wollten Eltern ihre Kinder aus dem Internat holen. Augenzeugen berichten: Hunderte von Bereitschaftspolizisten strömten an den Ort des Geschehens und hinderten die Eltern daran, die Schlafsäle der Schule zu betreten. Es kam zu stundenlangen Rangeleien. Zum Schluss gelang es den Eltern, die Polizeibarrikade zu durchbrechen und ihre Kinder abzuholen.

Parteikader, Lehrer und Polizisten wurden anschließend zu Familienbesuchen ausgesandt, um die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken.

Doch diese sollten bei den Eltern nicht nur Überzeugungsarbeit leisten, sondern sie drohten ihnen auch. Beamten und Parteimitgliedern wurden ein Ultimatum gestellt, dass wenn ihre Kinder nicht wieder in den Schulen auftauchen, werden die Eltern von ihrer Arbeit suspendiert.

Hinzu veröffentlichte die Polizei Fotos von mehreren Hunderten Personen, die an den Protestaktionen teilgenommen hatten. Diese Personen wurden entweder von Überwachungskameras oder mit einem Teleobjektiv aufgenommen. Für Hinweise auf ihren Aufenthaltsort wurde sogar eine Belohnung von umgerechnet 120 Euro ausgerufen.

Schon vor der Einführung der neuen Sprachpolitik forderte Pekings Führung im Juni von den mongolischen Schulen, Statuen von dem Begründer des Mongolischen Reichs Dschingis Khan, sowie Banner und Poster mit mongolischen Schriftzeichen zu entfernen. Die mongolischen Zeitschriften wurden eingestellt. Selbst der Verkauf von mongolischen Büchern war verboten.

Sprache ist der Träger der Kultur und Werte eines Volks

Sprache ist der Träger der Kultur und Werte eines Volks. Und zu Recht befürchten die Mongolen hier eines: Die Auslöschung ihrer Kultur. Und dafür sind sie bereit auf der Straße zu protestieren. Aber wie man das aus Hongkong bereits kennt, wird die kommunistische Staatsführung in Peking die Protestaktionen in der Inneren Mongolei mit harter Polizeigewalt unterdrücken. Denn die kommunistische Partei kennt anscheinend nur diese einzige Sprache: Gewalt.

Nun kommen wir auf die Frage zurück, wozu schafft Peking gerade jetzt ein weiteres Problem in der Inneren Mongolei, wo es eigentlich ruhig ist? Haben die Machthaber dort nicht schon genug Probleme am Hals?

Viele Menschen sind der Meinung, dass die neue Sprachreglung ziemlich unnötig ist, da es schon längst eine Sprachreglung gab.  Für die mongolischen Kinder war der Chinesisch-Unterricht bislang ab dem 3. Schuljahr Pflichtfach. Und jetzt sollen die Kinder durch die neue Reglung schon im ersten Schuljahr Chinesisch lernen. Wo ist da der Unterschied?

Die kommunistische Partei Chinas sucht ständig nach weiteren Methoden, um Kinder und Jugendliche zu beeinflussen. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? Das befürchtet wohl auch die Kommunistische Partei Chinas.

Bei einem Treffen im letzten Jahr mit Lehrern für politische Bildung, betonte der chinesische Staatschef Xi Jinping, dass die Lehrer so früh wie möglich mit der sogenannten „Roten Politisch-Ideologischen Erziehung“ anfangen sollen, und zwar bei Kleinkindern. Daraufhin haben Bildungsämter vieler Städte Schulen, sogar Kindergärten angewiesen, auf die sogenannte „rote Erziehung“ der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren zu achten. Nach ihren Worten: „Samen der roten Gene“ in die Herzen der Kinder zu säen.

Wenn die mongolischen Kinder erst mit 9 Jahren anfangen, Chinesisch überhaupt zu lernen, wäre es wohl ihrer Meinung nach zu spät für die Aufnahme von kommunistischen Gedanken. Kann man Kleinkinder nicht etwa auf Mongolisch kommunistisch erziehen? Natürlich geht es, ist aber nicht so einfach wie mit Chinesisch.

Reformierte chinesische Sprache der Kommunisten

Die chinesische Sprache, die Festland-China verwendet, ist die sogenannte „reformierte chinesische Sprache“. Sie wurde nach der Machtergreifung der Kommunisten in China eingeführt. Die Schriftzeichen sind die sogenannten Kurzzeichen. Sie sind die vereinfachte Version der traditionellen Langzeichen, die immer noch in Taiwan, Hongkong und Macau verwendet werden. Die chinesischen Zeichen sind eine Art Bildsprache. Durch die Reformierung sind viele Elemente der Schriften weggelassen worden, so dass sie ihren ursprünglichen Sinn verloren haben. Mit der Sprachreform sind viele Schriftzeichen von ihren traditionellen Werten getrennt worden.

Schriftzeichen und Wörter der chinesischen Sprache sind in China politisch instrumentalisiert. Zum Beispiel wird das Wort „Befreiung“ für die Machtergreifung der Kommunisten verwendet. „Befreiung“ ist ein positiv besetztes Wort. Mit dem Wort „Befreiung“ sollte die Machtergreifung legalisiert und ins positive Licht gestellt werden. Es gibt viele solche Beispiele, die deutlich zeigen, wie die kommunistische Partei nicht nur Chinas traditionelle Kultur zerstört, sondern auch die Geschichte verdreht hat.

Die Zerstörung aller traditionellen Kulturen gehört zum Programm der Kommunistischen Partei Chinas. Die sogenannte Reform der chinesischen Sprache ist ein Teil davon. Die Verdrängung der Sprachen der ethnischen Gruppen in China gehören auch dazu.

Der Verwaltungsapparat der kommunistischen Parteiführung ist von Anfang an so programmiert. Die Einschränkung der mongolischen Sprache war längst geplant. Die zunehmende Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche durch die politisch-ideologische Erziehung dient allein dem Machterhalt der KP Chinas.

Durch die Spannungen im In- und Ausland fühlt sich das Regime in Peking bedrängt. Je unsicherer sich die KP-Führung fühlt, umso mehr wird sie versuchen, die Kontrolle über die Gedanken aller Chinesen zu behalten, einschließlich der ethnischen Gruppen in China. Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht besser verstehen, warum China unbedingt jetzt ein neues Problem in der Inneren Mongolei schafft, wo es eigentlich ruhig war.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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