Verbale Entgleisungen: AfD mit Ibiza-Methoden in Extremismus-Skandal manövriert

Eine Dokumentation des Senders Pro7 hat der AfD einen handfesten Extremismus-Skandal eingebracht. Mit versteckter Kamera wurde Ex-Pressesprecher Christian Lüth unter anderem mit Aussagen dokumentiert wie jener, man könne Migranten „erschießen oder vergasen“.
Titelbild
Christian Lüth und Alexander Gauland.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)
Von 29. September 2020

Als Bundespressesprecher hatte die AfD den 44-jährigen Politologen bereits im April dieses Jahres entlassen. Anlass dafür waren Enthüllungen über Äußerungen des Funktionsträgers in einem privaten Chat. Darin soll er sich selbst als „Faschist“ bezeichnet und mit der „arischen“ Abstammung seines Großvaters gebrüstet haben. Nun hat ihn die Bundestagsfraktion auch seiner verbliebenen Aufgaben fristlos entbunden – Anlass waren wieder im privaten Rahmen gefallene Äußerungen.

YouTuberin zum vertraulichen Gespräch eingeladen

Der Sender ProSieben hatte seinen Reporter Thilo Mischke zur Recherche nach eigenen Angaben 18 Monate lang in rechte und rechtsextreme Kreise beordert und am Montagabend (28.9.) mit der Dokumentation „Rechts. Deutsch. Radikal.“ das Ergebnis der Recherchen präsentiert.

Für besonderes Aufsehen sorgte dabei die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Lüth und der YouTuberin Lisa Licentia in einer Bar in Berlin, das am 23. Februar stattgefunden haben soll. Licentia, die längere Zeit als „rechte Influencerin“ galt, hat sich mittlerweile von den Inhalten, die sie früher vertreten hatte, distanziert.

Dem Gedächtnisprotokoll der Aufzeichnung zufolge soll Lüth die YouTuberin zum vertraulichen Gespräch gebeten haben, um sie zur Mitarbeit in der Partei zu bewegen. In diesem Zusammenhang soll er Überlegungen zu Strategie und Zielen der AfD angestellt haben.

„Ein Muslim müsste sich im Karneval hochsprengen“

Lüth soll dabei erläutert haben, dass es für die AfD umso besser wäre, „je schlechter es Deutschland geht“. Wenn „jetzt alles gut laufen würde, dann wäre die AfD bei drei Prozent“, äußerte der damalige Pressesprecher weiter. Das sei zwar „sch***e für unsere Kinder“, aber es gehe vor allem um den Erhalt der Partei. Deshalb müsse man sich eine Taktik der Eskalation und der Provokation überlegen.

Auf die Nachfrage der YouTuberin, ob das bedeute, dass ein weiterer Zuzug von Migranten in seinem Interesse wäre, antwortete Lüth: „Ja, weil dann geht es der AfD besser. (…) Solange die AfD noch ein bisschen instabil ist und ein paar Idioten da antisemitisch rumlaufen, müssen wir dafür sorgen, dass es Deutschland schlecht geht.“

Auf den Einwand Licentias, wonach dies doch das Gegenteil dessen sei, was sie selbst wolle, mahnte Lüth, die YouTuberin möge taktisch und langfristig denken.

Es wäre im Interesse der Partei, würde sich „ein Muslim […] im Karneval hochsprengen“. Mehr Migranten wären besser, weil das der AfD nütze. Lüth fügte in weiterer Folge hinzu: „Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal.“

Nach der Linken hat nun auch die AfD ihren Extremismus-Skandal

Lüth selbst hat sich auf Nachfrage von Medien noch nicht zu den Inhalten der Aufnahmen geäußert. Für den Sender geriet die Dokumentation zum Erfolg: Mit 1,33 Millionen Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren und einem Gesamtmarktanteil von 14,6 Prozent war man dem Portal „wunschliste.de“ zufolge zur Primetime sogar knapp Marktführer.

Am Montagnachmittag, nachdem die Äußerungen Lüths über Vorabinformationen bekannt geworden waren, verkündete AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, dass die Fraktion in ihrer gestrigen Sitzung die fristlose Entlassung Lüths beschlossen habe.

Mit der Enthüllung über die extremistischen Äußerungen Lüths hat die AfD ein Extremismus-Skandal erreicht, der in seiner Dimension an die Debatte auf einem Kongress der Linkspartei Ende Februar in Kassel erinnert. Damals hatte eine Funktionärin – anders als Lüth in einer öffentlichen Debatte – die Frage aufgeworfen, was im Zusammenhang mit den „Klimaschutz“ geschehen solle, wenn „wir das eine Prozent der Reichen erschossen haben“, das für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich sei.

Krah: „Guter Zeitpunkt, uns von problematischen Personen zu trennen“

Parteichef Bernd Riexinger hatte die Äußerung dahingehend abgeschwächt, dass er gesagt hatte, man werde die Reichen „nicht erschießen, sondern für nützliche Arbeit einsetzen“. Sowohl die Funktionärin als auch Riexinger entschuldigten sich später für ihre „ironisch gemeinten“ Äußerungen. Weitergehende Konsequenzen gab es keine.

Der stellvertretende sächsische Landesvorsitzende der AfD und Europaabgeordnete Maximilian Krah fand auf Facebook deutliche Worte zu den extremistischen Äußerungen und rief die Partei zur Selbstreinigung auf:

„Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist ein guter Zeitpunkt, uns von problematischen Personen zu trennen und so unser Profil als seriöse Alternative zur Einheitsfront der Antideutschen zu schärfen. Wir dürfen nicht zulassen, dass einzelne Extremisten uns auf deren Niveau herabziehen!“

Nach Ausstrahlung der Sendung kritisierte Krah allerdings auch die Pro7-Sendung, die in sozialen Medien als über weite Strecken unvollständig, manipulativ und einseitig kritisiert wurde:

„Und das war alles, was Pro7 an Jauche gegen die #AfD ausgegraben hat? Einzig die bereits bekannten und geahndeten extremen Sprüche eines ehemaligen Angestellten mit Hormonstau, sonst nur dritte Reihe, wenn überhaupt. Früher war Agitprop eindeutig professioneller!“

Reitschuster: Stallgeruch von KGB und Stasi

Der Publizist Boris Reitschuster bezeichnet auf seinem Blog bereits die Veröffentlichung von Inhalten des Gesprächs als Straftat. Er erinnerte an die Ibiza-Falle, die dem früheren österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache gestellt wurde. Anders als bei Strache, dessen Aussagen in Ibiza für die Medien in sinnentstellender Weise zusammengeschnitten wurden, deutet im Fall von Lüth allerdings nichts darauf hin, dass die Aussagen manipulativ dargestellt worden wären.

Von der Ernsthaftigkeit des zur Sprache gebrachten Ansinnens („Migranten erschießen“) kann aber auch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Reitschuster geht von einem „geschmacklosen Witz“ aus und mahnt gerade deshalb vor einer Gesellschaft, die nicht mehr in der Lage sei, private und öffentliche Bereiche zu trennen:

„Abhöraktionen im Privaten zur Diskreditierung sind klassische Methoden von Geheimdiensten wie dem KGB oder der Stasi. Dass sie heute wieder fröhliche Urstände feiern, ist mehr als alarmierend.“

Ausnahmetatbestand zu § 201 StGB dürfte greifen

Ob die Vorgehensweise des Senders tatsächlich den § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) erfüllte, ist fraglich. Zwar wird dort mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, wer unbefugt „das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt“, „eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht“, „das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört“ oder „das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt“.

Allerdings ist in weiterer Folge eine Interessensabwägung vorgesehen. Die Tat sei demnach nicht rechtswidrig, wenn „die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird“.

Dies wird von der Rechtsprechung regelmäßig angenommen, wenn es um Enthüllungen über skandalträchtige private Äußerungen bedeutender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie etwa Politiker geht. Da Christian Lüth zum Zeitpunkt der Aufnahme noch Bundespressesprecher der AfD und auch nach seiner Entlassung noch für die Fraktion arbeitete, dürfte der Rechtfertigungsgrund des Abs. 2 wahrscheinlich auch in einem solchen Fall greifen.



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