Angst und Wut in Teheran nach Inkrafttreten neuer US-Sanktionen

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump im Mai zum einseitigen Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen und der Verhängung scharfer neuer Sanktionen gegen den Iran, hat die Wirtschaft massiv einbrechen lassen.
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Auf dem Basar in Teheran, Iran.Foto: iStock
Epoch Times5. November 2018

Im Basar von Teheran hat Heidar Fekri schon vor der Islamischen Revolution von 1979 seine Waren verkauft. Doch nach Inkrafttreten der neuen US-Handelssanktionen am Montag fürchtet der 70-jährige Händler erstmals um seine Existenz. „Meine Regale sind leer, meine Lager sind leer, und bald werde ich meine Türen schließen müssen“, sagt der alte Mann der Nachrichtenagentur AFP. „Dies ist mein ganzes Leben. Ich werde nicht lange überleben, wenn ich das Geschäft dichtmachen muss.“

Die iranische Wirtschaft lief schon vor den neuen Finanz- und Handelsbeschränkungen nicht gut und litt unter hausgemachten Problemen wie Misswirtschaft und Korruption. Doch die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump im Mai zum einseitigen Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen und der Verhängung scharfer neuer Sanktionen gegen den Iran, hat die Wirtschaft massiv einbrechen lassen.

Obwohl die anderen Vertragspartner entschlossen sind, das Atomabkommen am Leben zu halten und sich Trumps Sanktionen zu widersetzen, haben sich die großen westlichen Firmen aus Angst vor den US-Strafmaßnahmen bereits zurückgezogen. Binnen eines Jahres hat die iranische Währung rund 70 Prozent ihres Werts verloren, während die Inflation massiv gestiegen und die Wirtschaft in eine Rezession gestürzt ist.

Die Unsicherheit lähmt die Wirtschaft und auch Fekri hat seit einem Jahr keine neue Ware mehr importiert. „Der Verkauf ist binnen sechs Monaten um 90 Prozent zurückgegangen. Der ganze Basar leidet“, sagt der Händler, der seit 47 Jahren Industriepumpen und Bohrer aus Europa importiert. Zwar haben die Iraner viel Erfahrung in der Umgehung von Sanktionen, doch bleibt kaum ein Bereich von den Handelsbeschränkungen unberührt.

Sam Cordier hält weiter in Teheran aus, allerdings hat der Brite wegen der Sanktionen sechs der 30 Mitarbeiter seiner Werbefirma PGt Advertising entlassen müssen, die Firmen wie British Airways und Nestlé vertritt. Den anderen Angestellten musste er das Gehalt kürzen, da viele ausländische Kunden gegangen sind. „Dies sind die Leute, die leiden“, sagt er. „Viele junge, gut ausgebildete Leute verlassen das Land. Es gibt einen massiven Brain-Drain.“

Im Iran ist die Wut auf Trump groß, doch viele Iraner machen auch die Politik der eigenen Regierung für die Misere verantwortlich. „Ja, Amerika tut schlechte Dinge, doch handelt es gemäß seinen eigenen Interessen. Wenn unser Staat gemäß den Interessen des Iran gehandelt hätte, wären wir heute nicht dort, wo wir sind“, sagt der 30-jährige Erfan Jusufi, dessen hippes neues Café unter der geringeren Nachfrage und den hohen Preisen leidet.

Trotz all der wirtschaftlichen Probleme und des Unmuts über die Regierenden deutet wenig darauf hin, dass die Iraner zu einem neuen Aufstand bereit wären. Ein großer Teil der Bevölkerung steht noch immer hinter den Werten und Zielen der Islamischen Revolution von 1979, während viele andere Angst vor Repressionen haben und das Chaos und die Anarchie fürchten, die ein gewaltsamer Umsturz nach sich ziehen würde.

Viele junge Iraner haben inzwischen resigniert und sehen sich als „verbrannte Generation“, die um ihre Chancen gebracht wird. „Ich mache mir Sorgen wegen der Zukunft“, sagt Jusufi in seinem Café. „Unsere Generation steht jeden Morgen auf, ohne zu wissen, was aus uns werden wird.“

Nachdem die USA zum 7. August eine erste Welle von Finanz- und Handelsbeschränkungen in Kraft gesetzt hatten, trat am Montag um 06.00 Uhr MEZ ein zweites Sanktionspaket in Kraft. Die Sanktionen richten sich vor allem gegen die iranische Öl- und Finanzbranche. Betroffen sind auch Unternehmen aus Drittstaaten, die mit dem Iran Geschäfte machen. Schon im Vorfeld gingen die iranischen Ölexporte deutlich zurück.

Für acht Länder sollen allerdings vorübergehend Ausnahmen bei den Ölimporten gelten. Welche Länder dies sind, wollte Washington am Montag verkünden. Die Türkei hat bereits erklärt, zu der Gruppe zu gehören. Auch Südkorea, Indien und Japan dürften von den Ausnahmen profitieren. EU-Länder sind nicht darunter. Bereits während der letzten Sanktionsperiode hatten die USA acht Ländern mehr Zeit eingeräumt, um ihre Ölimporte aus dem Iran auf Null zu reduzieren.

Trump will mit den Sanktionen den Iran zu neuen Verhandlungen über ein weiterreichendes Abkommen zwingen, das auch das iranische Raketenprogramm beschränkt und seine militärischen Einsätze in den Nachbarländern beendet. Ruhani lehnte aber neue Verhandlungen ab, so lange die USA nicht zu dem bestehenden Abkommen zurückgekehrt sind. Auch Vermittlungsangebote von Drittstaaten habe er daher zurückgewiesen.

„Respektiert erst die Verhandlungen, die wir abgeschlossen haben, so dass es eine Basis für neue Verhandlungen gibt“, sagte der iranische Präsident, der auf das Atomabkommen und die Aufhebung der Sanktionen gesetzt hatte, um die Wirtschaft seines Landes in Schwung zu bringen. „Es gibt keinen Bedarf für Vermittlung. Es gibt keinen Bedarf für all diese Botschaften. Haltet euch an eure Verpflichtungen, und wir werden uns hinsetzen und reden.“

Die anderen Vertragspartner Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China sind entschlossen, das Atomabkommen zu retten, doch haben sich viele westliche Firmen bereits aus dem Iran zurückgezogen. „Wir werden alles tun, um trotz der US-Sanktionen den internationalen Handel und die wirtschaftliche und finanzielle Kooperation mit dem Iran zu bewahren“, erklärte das russische Außenministerium.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die drei EU-Partner würden dafür eintreten, „dass nach europäischem Recht legale Geschäftsbeziehungen weiter möglich sein sollen“. Die chinesische Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte, „China ist gegen einseitige Sanktionen und eine Gerichtsbarkeit des langen Arms“. Die Kooperation mit dem Iran innerhalb des internationalen Rechts sei „legal und legitim“ und sollte respektiert werden.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die US-Politik gehe „nach hinten los“, da die Welt nicht erlauben könne, dass Trump „die globale Ordnung“ zerstört.

Unterstützung für die Sanktionen kam dagegen von Irans Erzfeinden Saudi-Arabien und Israel, dessen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman von einem „Schlag“ gegen den Iran als Regionalmacht sprach. (afp)



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