Anti-System-Listen profitieren offenbar von geringer Wahlbeteiligung im Irak

Enttäuscht von der politischen Elite haben viele Iraker die Parlamentswahl boykottiert. Die Wahlbeteiligung betrug nur 44,5 Prozent, wie die Wahlkommission mitteilte. Von der geringen Beteiligung profitierten offenbar Anti-System-Parteilisten.
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Wer auch immer neuer Ministerpräsident wird, steht vor der Mammutaufgabe, das Land wieder aufzubauen. FFoto: iStock
Epoch Times13. Mai 2018

Enttäuscht von der politischen Elite haben viele Iraker die Parlamentswahl am Wochenende boykottiert. Die Wahlbeteiligung betrug nur 44,5 Prozent, wie die Wahlkommission mitteilte. Von der geringen Beteiligung profitierten offenbar Anti-System-Parteilisten.

Der seit vier Jahren amtierende Ministerpräsident Haider al-Abadi sieht sich ersten Ergebnissen zufolge mit starker Konkurrenz aus dem schiitischen Lager konfrontiert, wie am Sonntag aus dem Innenministerium in Bagdad verlautete.

Die Stimmenauszählung wird Tage dauern, mit ersten Ergebnissen wird am Dienstag gerechnet. Auch die Regierungsbildung dürfte sich hinziehen. Deutlich wurde am Tag nach der Wahl aber bereits, dass viele Menschen in dem kriegszerrütteten Land das politische Establishment satt haben, das seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 regiert.

„Die Politik der letzten 15 Jahre überzeugt die Wähler nicht mehr“, sagte Amir al-Saadi, Politikprofessor aus Bagdad.

Ersten Auszählungsergebnissen zufolge liegt Regierungschef Abadi zwar vorn, wie ein Behördenvertreter sagte. Dicht hinter Abadi folge aber die Liste des ehemaligen Milizenführers Hadi al-Ameri.

Hadi al-Ameri gilt vielen Irakern wegen seiner Rolle im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) als Kriegsheld.

Der frühere Verkehrsminister, der eng mit den iranischen Revolutionsgarden verbunden ist, fordert den kompletten Abzug der US-Soldaten. Auf Rang drei folgt demnach die Allianz des Schiitenpredigers Moktada al-Sadr und den Kommunisten.

Fünf Monate nach dem militärischen Sieg über die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verlief die Stimmabgabe ohne größere Zwischenfälle.

24,5 Millionen registrierte Wähler waren aufgerufen, die 329 Mitglieder des Parlaments in Bagdad neu zu bestimmen. Dafür bewarben sich knapp 7000 Kandidaten, etwa 2000 von ihnen waren Frauen. Insgesamt traten 87 Parteilisten bei der Wahl an.

Die Wahlbeteiligung war so niedrig wie noch nie seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003. 2005 hatte sie 79 Prozent betragen, 2010 waren es 62,4 Prozent gewesen und 2014 zumindest 60 Prozent.

Während die Schiiten sonst durch hohe Wahlbeteiligung ihre Macht zu sichern suchten und Sunniten sich aus Enttäuschung über ihren Machtverlust enthielten, war die Wahlbeteiligung in diesem Jahr in allen Gruppen gleich schwach.

Vor allem viele junge Iraker boykottierten die Wahl. Sie erklärten, wenig Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu haben. Zahlreiche Wähler forderten ein Ende der weit verbreiteten Korruption im Land. In der Hauptstadt Bagdad betrug die Wahlbeteiligung nur 32 Prozent, wie aus der Wahlkommission verlautete.

Höher war sie in den Kurdengebieten und in der ehemaligen IS-Hochburg Mossul, die nach den monatelangen Kämpfen gegen die IS-Miliz teilweise noch in Trümmern liegt. Der IS hatte 2014 ein „Kalifat“ im Irak und Syrien ausgerufen. Auch nach der Vertreibung des IS sind noch mehr als zwei Millionen Iraker Binnenflüchtlinge.

Viele Wähler monierten, dass seit Jahren immer dieselben Politiker bei den Wahlen antreten.

Ein neues elektronisches Wahlsystem bereitete zudem vielen Wählern Probleme.

Viele Iraker machen Ministerpräsident Abadi für die weit verbreitete Korruption im Land verantwortlich. Er hofft auf eine weitere Amtszeit, da es unter ihm gelungen ist, die Dschihadisten zurückzudrängen und eine Abspaltung der Kurden zu verhindern.

Abadi präsentiert sich als Verfechter einer Politik des Ausgleichs zwischen Schiiten und Sunniten sowie zwischen Teheran und Washington.

Deutliche Verluste dürften die Parteien der Kurden erleiden. Sie sind geschwächt, nachdem ein kontroverses Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Autonomieregion im September dazu geführt hat, dass die Zentralregierung den Kurden einen Teil ihrer Gebiete abgenommen hat.

Wer auch immer neuer Ministerpräsident wird, steht vor der Mammutaufgabe, das Land wieder aufzubauen. Internationale Geber haben bereits 25 Milliarden Euro zugesagt.

(afp)



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