Dänemark: Keine Staatsbürgerschaft mehr ohne Handschlag

Nachdem ein Imam ihr aus religiösen Gründen den Handschlag verweigert hatte, erklärte CDU-Vizechefin Julia Klöckner den Handschlag zum Lackmustest für gelungene Integration. In Dänemark gilt seit 1. Januar: Staatsbürger kann nur werden, wer bereit ist, dem anderen Geschlecht die Hand zu reichen.
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Ein Treffen unter GeschäftspartnernFoto: iStock
Von 21. Januar 2019

„Genau in dem Moment, in dem ihr mir die Hand reicht, werdet ihr Dänen. Es ist etwas Besonderes, Däne zu sein“, erklärte Dänemarks Integrationsministerin Inger Støjberg einem Bericht der „Bild“ zufolge gegenüber neun Neubürgern des Landes im Rahmen der ersten offiziellen Einbürgerungszeremonie des neuen Jahres in Kopenhagen.

Seit Beginn des Jahres gilt im nördlichen Nachbarland Deutschlands, dass jeder Bewerber um die dänische Staatsangehörigkeit an einer entsprechenden Feierstunde teilnehmen muss. Eine symbolische Begrüßung im neuen Staatsverband im Wege einer öffentlichen Zeremonie – das ist Praxis in zahlreichen Ländern und signalisiert, dass das Bekenntnis zu einem Gemeinwesen mehr darstellen solle als nur einen bloßen Verwaltungsakt.

Dass am Ende der Zeremonie ein obligatorischer Handschlag mit dem Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde steht, hat in Dänemark aber möglicherweise auch den Zweck, bestimmte Personen von vornherein gar nicht erst auf die Idee zu bringen, sich um die Staatsbürgerschaft zu bewerben. Dies geht auch aus den parlamentarischen Materialien hervor, die erkennen lassen, welche Überlegungen hinter der Regelung aufseiten ihrer Befürworter stehen.

Zusammenprall der Höflichkeitsvorstellungen

Demnach sei die Bereitschaft, einer Person des anderen Geschlechts die Hand zu reichen, ein nach außen hin erkennbarer Ausdruck des Respekts vor der dänischen Verfassung und den dänischen Werten – wozu die Bewerber sich zuvor auch via Unterschrift bekennen müssen. Eine Verweigerung des Handschlags aus religiösen oder kulturellen Gründen würde gegen diese Grundsätze verstoßen, da sie gegen den Grundsatz der Gleichstellung gerichtet wäre.

Vor allem religiös-konservative, aber auch radikale Muslime stünden, so sie ihren Aufenthalt nicht in einer Weise steuern können, dass ihr Einbürgerungsverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Bürgermeister des gleichen Geschlechts beendet werden würde, in Anbetracht dieser Vorschrift in einem Gewissenskonflikt.

Während der Händedruck in europäischen Staaten als Höflichkeitsbezeugung gilt, deren Verweigerung als Respektlosigkeit betrachtet wird, gilt er im muslimischen Kulturkreis wiederum selbst als potenzielle Grenzüberschreitung, insbesondere im Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Unter Muslimen ist als förmliche Grußform eher die Verbeugung mit angelegter Hand auf dem Herzen üblich. Aus ihren Kreisen ist in der Debatte um den Handschlag oft der Hinweis zu hören, dass es beispielsweise auch in Großbritannien als unstatthaft gelte, der britischen Königin die Hand zu reichen.

Eine Verbeugung oder ein Kopfnicken würde auch dem Bürgermeister von Mariagerfjord, Mogens Jespesen, ausreichen, der wie Integrationsministerin Støjberg aus der liberalen Partei „Venste“ kommt: „Ich würde das jedenfalls nicht an die große Glocke hängen. Da würde ich auch das Gesetz verletzen, genauso wie man aus Versehen mal auf einer Landstraße 80 statt 70 fahren kann“, zitiert „Bild“ den Kommunalpolitiker.

Julia Klöckner eröffnete Debatte in Deutschland

Thomas Andresen, der Bürgermeister von Aalborg, würde gar auf die Zeremonie als solche verzichten. Im dänischen Fernsehen erklärt er: „Das Wichtigste ist doch, dass die neuen Staatsbürger die Demokratie respektieren. Wenn sie eine andere Religion oder andere Sitten haben, interessiert das weniger.“

Die Debatte um den Handschlag und eine religiös oder kulturell bedingte Verweigerung desselben als möglichen Ausdruck der Ablehnung von Grundwerten des Gemeinwesens hatte vor einigen Jahren auch den deutschsprachigen Raum erreicht.

Julia Klöckner, die damalige Landeschefin der CDU Rheinland-Pfalz und stellvertretende CDU-Vorsitzende, hatte 2015 einen geplanten Besuch in einem Flüchtlingslager abgesagt, nachdem der amtierende Imam einer islamischen Gemeinde in Idar-Oberstein, der ebenfalls mit dabei sein sollte, ihr hatte mitteilen lassen, dass er der Politikerin aus religiösen Gründen nicht die Hand geben könne. Klöckner reagierte mit scharfer Kritik und forderte ein Gesetz zur Integrationspflicht, das unter anderem auch den Handschlag als Gradmesser für eine solche abdecken sollte.

Für das Rollenbild, das in dessen Verweigerung zum Ausdruck komme, sei in der deutschen Gesellschaft kein Platz, meinte sie gegenüber der „Welt“:

„Genau hier, im täglichen Miteinander, zeigt sich doch, ob Integration funktioniert oder nicht. […] Ein Imam in Deutschland oder ein Politiker in Schweden sind öffentliche Personen, damit Vorbild und Autorität. Auch für junge Muslime.“

Mazyek: „Keine zwingende theologische Begründung“ für Verweigerung

Im Jahr 2016 beschloss die Bildungsdirektion des Kantons Baselland nach einem Vorfall mit zwei muslimischen Schülern, Schulen könnten von Schülern verlangen, Lehrkräften die Hand zu geben.

In Österreich befragten Forscher der Donau-Universität Krems im Jahr 2017 im Rahmen einer Studie 1129 Flüchtlinge, Zuwanderer und in Österreich geborene Muslime über deren Position zu bestimmten Fragen rund um Religion, Kultur, Politik und Gesellschaft. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sowie über 40 Prozent der türkischstämmigen Befragten äußerten dem Ergebnis der Untersuchung zufolge „sehr oder eher Verständnis dafür“, wenn Männer Frauen nicht die Hand reichen, berichtete damals die „Neue Kronen Zeitung“.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, bezeichnete im Zuge der damaligen Debatte die Verweigerung des Handschlags als problematisch, da dies, so Mazyek zur „Welt“, „fast zwangsläufig zu Missverständnissen“ führe. Es gäbe auch „keine zwingende theologische Begründung dafür, ihn zu verweigern“.

Die deutsch-jüdische Autorin Ramona Ambs hingegen fragte: „Müssen sich nun eigentlich künftig alle anfassen, um gegenseitig Respekt zu zeigen?“ Regelungen wie die im Baselland drückten ihr zufolge eine Doktrin aus, die es „bis dato nur in der DDR“ gegeben habe. Es sei eine „seltsame Sehnsucht, der neu erwachte Wunsch nach partiell‐intensivem Körperkontakt mit Muslimen, bei gleichzeitig steigender Islamfeindlichkeit allerorten“.

Tatsächlich gilt es auch unter orthodoxen Juden im Sinne der „Schomer Negia“ (Grundsatz der Achtsamkeit) als unstatthaft, fremde Personen des anderen Geschlechts zu berühren – und sei es nur zum Zweck eines Händedrucks. Auch zahlreiche asiatische Kulturen bevorzugen bei der Begrüßung die Verbeugung dem Händedruck. „In Deutschland nehmen in den meisten Geschäftsstellen der Arbeitsagentur die Sachbearbeiter vom Handschlag bei der Begrüßung Abstand und weisen explizit darauf hin – in ihrem Fall ist die Furcht vor der Übertragung von Keimen der ausschlaggebende Punkt.“

 



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