Deutsche Politiker in Sorge vor „Ja“ bei türkischem Verfassungsreferendum

Mit dem Umbau der Türkei zu einem Präsidialsystem würde Erdogan seine Macht deutlich ausbauen. Der Ausgang des Referendums am Sonntag scheint allerdings offen.
Titelbild
Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Erdogan bei einem Treffen am 18. Oktober 2015 im Yildiz-Palast in IstanbulFoto: Guido Bergmann/Bundesregierung via Getty Images
Epoch Times15. April 2017

Vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei haben sich deutsche Politiker besorgt über die mögliche Einführung eines Präsidialsystems gezeigt. „Es geht um die Frage Demokratie oder Diktatur“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin der „Saarbrücker Zeitung“ vom Samstag. Ein Erfolg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan würde das „vorläufige Ende von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ in dem Nato-Land bedeuten. „Dann müssen die Beziehungen mit Ankara komplett neuvermessen werden.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, warnte in der Zeitung vor möglichen Belastungen für die Nato, sollte das Referendum zugunsten Erdogans ausgehen. „Damit würde sich ein geostrategisch wichtiger Partner wie die Türkei immer weiter von den westlichen Werten entfernen“, sagte er.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte dem Blatt, dass er auf ein Scheitern des Ja-Lagers hoffe. „Aber auch für diesen Fall fürchte ich, dass die Spannungen in der Türkei nicht nachlassen werden und die türkischstämmigen Mitbürger in Deutschland gespalten bleiben“, sagte Bosbach. „Auf diese Weise importieren wir politische Konflikte, die leider auch viel zu oft mit Gewalt ausgetragen werden.“

Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, hält sogar einen Wahlbetrug für möglich. Zu befürchten sei, dass Erdogans „Präsidialdespotie auch dann von ihm als von der Mehrheit beschlossen ausgegeben wird, wenn in Wirklichkeit die Mehrheit dagegen ist“, sagte Gysi der „Saarbrücker Zeitung“. „Dafür spricht schon, dass die internationale Wahlbeobachtung in den Kurdengebieten stark eingeschränkt wurde.“

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen beklagte im Radiosender NDR Info, dass von einer freien und fairen Abstimmung „überhaupt keine Rede“ sein könne. „Dieses Referendum ist so frei wie die letzte Reichstagswahl am 5. März 1933 in Deutschland, als bereits alle kommunistischen Abgeordneten verhaftet waren und Kundgebungen der Arbeiterparteien polizeilich aufgelöst wurden, wie es im Moment beim Nein-Lager in der Türkei unter dem Ausnahmezustand auch oftmals der Fall ist.“

Mit dem Umbau der Türkei zu einem Präsidialsystem würde Erdogan seine Macht deutlich ausbauen. Der Ausgang des Referendums am Sonntag scheint allerdings offen: Eine Umfrage der Konda-Gruppe sieht das Ja bei 51,5 Prozent, während eine Umfrage der Sonar-Gruppe 51,2 Prozent für das Nein-Lager erwartet.  (afp)



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