Die Sprache Christi stirbt aus – Kaum jemand beherrscht noch Aramäisch

Titelbild
Symbolbild.Foto: istock
Epoch Times30. Mai 2019

George Saarur gehört zu den wenigen Menschen, die in Syrien noch die Sprache Christi beherrschen. Der 62-Jährige stammt aus dem Dorf Maalula bei Damaskus, in dem vor Beginn des Bürgerkriegs Aramäisch weit verbreitet war.

Arabisch auf dem Vormarsch

Doch in fünf oder zehn Jahren könnte die Sprache verschwunden sein, so fürchtet er. Denn die Einwohner sind durch die Kämpfe in alle Windrichtungen verstreut, und die junge Generation lernt nur noch Arabisch.

„Aramäisch ist in Gefahr“, sagt Saarur in seinem kleinen Laden, in dem er aramäische Bücher und Enzyklopädien sammelt und Ikonen und Kruzifixe verkauft.

Einen Großteil seiner Zeit verbringt er mit dem Studium und der Übersetzung von Texten auf Aramäisch. Die semitische Sprache entstand vor rund drei Jahrtausenden und war zur Zeit Christi im Nahen Osten weit verbreitet.

Heute jedoch ist Maalula einer der letzten Orte in der Region, in dem noch Aramäisch gesprochen wird – und auch hier ist es bedroht.

„80 Prozent der Einwohner von Maalula sprechen heute nicht mehr Aramäisch. Die anderen 20 Prozent sind über 60 Jahre alt“, sagt der Experte Saarur, während er mit einem Vergrößungsglas in der Hand ein dickes Buch in der Sprache Christi studiert.

Maalula vor dem Krieg ein Pilgerort

Vor dem Krieg war das Dorf in den kargen Bergen nordwestlich von Damaskus mit seinen Kirchen und Klöstern ein wichtiger Pilgerort. Christen aus aller Welt kamen hierher, um die Heiligtümer zu besuchen und Aramäisch zu hören.

Die meisten Einwohner ergriffen aber die Flucht, als Ende 2013 islamistische Rebellen mit Verbindungen zu Al-Kaida das Dorf einnahmen.

Im April 2014 eroberten zwar die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad den Ort zurück. Doch zwei Drittel der Einwohner sind nicht heimgekehrt.

Die meisten leben heute im Großraum Damaskus, einige sind auch ins Ausland gegangen. „Die Kriegsgeneration wurde außerhalb von Maalula, in Damaskus und anderen Orten, geboren und hat zuerst Arabisch gelernt“, sagt Saarur.

Außer in Maalula wird Aramäisch heute nur noch in zwei Dörfern bei Damaskus gesprochen. Im Nordosten Syriens ist zudem noch Syriakisch in Gebrauch, das aus dem Aramäischen entstanden ist.

Zudem haben einige andere aramäische Dialekte im Südosten der Türkei und im Norden des Irak überlebt, wie der Spezialist für alte Sprachen, Jean-Baptiste Yon, erklärt.

Bürgermeister setzt sich für Spracherhalt ein

Für Maalulas Bürgermeister Elias Thaalab ist die Bewahrung von Aramäisch von größter Bedeutung. „Mehr als 2000 Jahre lang haben wir die Sprache Christi in unseren Herzen bewahrt“, sagt der 80-Jährige.

„Wir gehören zu den letzten Menschen auf der Welt, die die Ehre haben, sie zu beherrschen.“ Einige Junge versuchten sie zu lernen, doch nur Saarur kenne sie richtig.

Der Sprachexperte hat mehr als 30 Bücher über Aramäisch und die Geschichte von Maalula geschrieben und betreut regelmäßig Doktoranden der Universität Damaskus.

Sprachschule geschlossen

2006 half er bei der Gründung einer Sprachschule für Aramäisch, doch wurde sie im Krieg geschlossen. Heute bemüht sich der Kindergarten von Maalula, Aramäisch vor dem Aussterben zu retten.

In einem Klassenraum rezitieren Fünf- und Sechsjährige aramäische Gedichte unter den Augen ihrer Lehrerin Antoinette Mokh. Die Zahl der Kinder ist von einst hundert auf unter 30 gefallen.

„Aramäisch wird in Maalula von Generation zu Generation weitergegeben. Es ist die Sprache des Hauses“, sagt Mokh. Diese Kinder seien aber im Exil geboren und hätten sie nicht gelernt.

Die 64-Jährige unterrichtet bereits seit einem Vierteljahrhundert. Doch in den Ruhestand gehen kann sie nicht. „Wenn ich meinen Job aufgebe und in Rente gehe“, sagt sie, „wird es keinen Ersatz geben.“ (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion