Enges Rennen bei Wahlen in Türkei erwartet

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei wird ein enges Rennen zwischen Amtsinhaber Erdogan und der Opposition erwartet.
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Letzte Stimmabgaben für die Türkei-Wahlen am Sonntag.Foto: Getty Images
Epoch Times24. Juni 2018

Bei den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei wird ein enges Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und der Opposition erwartet.

Die Abstimmung, die am Nachmittag zu Ende ging, wurde überschattet von zahlreichen Berichten über Unregelmäßigkeiten. Im Südosten wurden mehrere ausländische Beobachter festgenommen, Oppositionskandidat Muharrem Ince rief zur Wachsamkeit auf.

Der CHP-Kandidat Ince rief nach Schließung der Wahllokale seine Anhänger auf, vor den Büros der Wahlbehörden auszuharren. Er selbst werde vor der Wahlkommission in Ankara bleiben. „Ich werde eure Rechte schützen. Alles, was ich will, ist ein fairer Wettbewerb“, sagte Ince. Zuvor hatte es zahlreiche Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Provinz Sanliurfa und dem kurdischen Südosten der Türkei gegeben.

Der CHP-Sprecher Bülent Tezcan berichtete von bewaffneten Männern in der mehrheitlich kurdischen Stadt Suruc, die Beobachter und Wähler einzuschüchtern versuchten und eine „Atmosphäre des Terrors“ verbreiteten. Präsident Erdogan sagte bei der Stimmabgabe in Istanbul, es gebe „keinen ernsthaften Probleme“ beim Wahlablauf, doch die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen der Geschehnisse in Suruc ein.

In Suruc waren während des Wahlkampfs vier Männer getötet worden. Der Chef der Wahlkommission, Sadi Güven, sagte, es seien die nötigen Schritte zur Sicherung der Wahlen in Suruc getroffen worden. Laut Anadolu wurden in der Stadt vier Verdächtige wegen Wahlfälschung festgenommen. Die Agentur DHA berichtete, dass drei Männer mit einem Auto voller Stimmzettel gestoppt und festgenommen worden seien.

In vier Provinzen im Osten und Südosten des Landes wurden laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu rechtliche Schritte gegen zehn Ausländer eingeleitet, die sich als Beobachter ausgegeben, aber keine Akkreditierung gehabt hätten. Darunter waren auch drei Deutsche in Sirnak. Die Kommunistische Partei Frankreichs teilte mit, eine Senatorin und zwei weitere Parteimitglieder seien in der Provinz Agri vorübergehend festgenommen worden.

Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begann die Auszählung der Stimmen. Es wird mit einem engen Rennen gerechnet. Erhält Erdogan bei der Präsidentenwahl keine absolute Mehrheit, muss er am 8. Juli in eine Stichwahl – vermutlich gegen Ince. Auch bei der Parlamentswahl könnte seine islamisch-konservative AKP die Mehrheit verlieren – insbesondere wenn die prokurdische HDP erneut über die Zehn-Prozent-Hürde gelangt.

Nach der Wahl tritt das Präsidialsystem in Kraft, das bei einem umstrittenen Referendum im April 2017 knapp gebilligt worden war. Die Opposition fürchtet, dass damit die Demokratie untergraben und ein Ein-Mann-Regime zementiert wird. Ince hat im Wahlkampf versprochen, das Präsidialsystem zurückzunehmen, den Ausnahmezustand aufzuheben und Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bürgerrechte wiederherzustellen.

Anders als bei früheren Wahlen spielte die Frage von Islam und Säkularismus kaum eine Rolle, stattdessen drehte sich der Wahlkampf um Demokratie, Bürgerrechte und die Lage der Wirtschaft, die zunehmend Sorgen bereitet. Erdogan hob hervor, was er für die Entwicklung des Landes und den Ausbau der Infrastruktur geleistet habe. Die Opposition warf ihm dagegen vor, mit seinem autoritären Kurs das Land zu spalten.

Erdogan wählte mit seiner Frau Emine im Istanbuler Stadtteil Üsküdar. „Die Wahlbeteiligung erscheint gut“, sagte der 64-Jährige, der seit 15 Jahren die Türkei regiert und das Land geprägt hat wie kein Politiker der letzten Jahrzehnte. Die hohe Beteiligung bei früheren Wahlen zeige die „Reife der Demokratie in der Türkei“. Mit dem Präsidialsystem werde das Land eine „demokratische Revolution“ erleben, sagte er.

Der HDP-Kandidat Selahattin Demirtas gab seine Stimme im Gefängnis in Edirne ab. Demirtas ist seit November 2016 in Haft und führte seinen Wahlkampf von der Zelle aus. Nach der Stimmabgabe twitterte er: „Ich wünsche mir, dass jeder seine Stimme zum Wohle der Demokratie in unserem Land nutzt.“ (afp)



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