Erdogan berichtet zum Fall Khashoggi

Gefoltert, ermordet und zerstückelt - dieses grausige Schicksal soll den regimekritischen Journalisten Khashoggi ereilt haben. Was genau vor drei Wochen im saudischen Konsulat in Istanbul geschah, ist nach wie vor ungeklärt. Lüftet die Türkei jetzt das Geheimnis?
Titelbild
Sicherheitskräfte stehen vor dem saudi-arabischen Konsulat in Istanbul.Foto: Lefteris Pitarakis/AP/dpa
Epoch Times23. Oktober 2018

Drei Wochen nach dem mutmaßlichen Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi gibt der türkische Staatspräsident an diesem Dienstag eine ausführliche Erklärung zu der Gewalttat ab.

Dabei will Recep Tayyip Erdogan nach eigenen Worten „ins Detail gehen“ – und Fragen stellen sich in dem Fall noch viele. Die Bluttat hat auch Folgen für eines der größten Wirtschaftstreffen der Welt, das am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad beginnt.

Erdogan hatte am Wochenende versprochen, es werde die ganze Wahrheit über Khashoggis Tod im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul ans Licht kommen. Auch die USA, wo Khashoggi zuletzt im Exil lebte, sind an einer Klärung der Angelegenheit interessiert. Nach einem Bericht der „Washington Post“ machte sich CIA-Chefin Gina Haspel am Montag auf den Weg in die Türkei. Demnach ist die größte Sorge Washingtons, dass Erdogans Enthüllungen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman als engen Verbündeten der Regierung Trumps schwer belasten könnten.

Khashoggi hatte das Konsulat am 2. Oktober betreten, um Papiere abzuholen, und war nicht mehr herausgekommen. Türkische Ermittler gehen nach Medienberichten davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Kommando im Konsulat gefoltert, ermordet und zerstückelt wurde. Was auch immer mit dem Regimekritiker geschah, die Darstellung Riads weist Lücken und Widersprüche auf.

Zunächst hieß es dort, Khashoggi habe das Konsulat wieder verlassen, Meldungen über seinen Tod seien erfunden. Am Wochenende räumte das autoritär regierte Königreich dann die Tötung des 59-Jährigen ein, stellte sie aber als Folge einer eskalierten Schlägerei dar. 18 saudische Staatsangehörige wurden festgenommen. Wo sich Khashoggis Leiche befindet, wisse die Führung in Riad nicht, sagte Außenminister Adel al-Dschubair. Das Sicherheitsteam vor Ort habe eigenmächtig gehandelt und dann versucht, die Tötung zu vertuschen.

US-Präsident Donald Trump hält die offizielle Erklärung Saudi-Arabiens nach wie vor für unzureichend und kündigte am Montag an: „Wir werden der Sache auf den Grund gehen.“ Später sagte er der Zeitung „USA Today“, der saudische Kronprinz habe ihm versichert, dass weder er noch König Salman in die Sache verwickelt seien. Sollte sich das Gegenteil herausstellen, „wäre ich sehr verärgert darüber“. Der Fall Khashoggi sehe für ihn aus wie ein „schiefgelaufenes Komplott“.

Durch den Kriminalfall Khashoggi ist auch die internationale Investorenkonferenz in Riad stärker in den Fokus geraten. Mit der Veranstaltung möchte das Königreich eigentlich den großangelegten Umbau seiner stark vom Öl abhängigen Wirtschaft vorantreiben. Dazu plant es einige Großprojekte – etwa den Bau der futuristischen Megastadt „Neom“ am Roten Meer.

Wegen der Affäre Khashoggi sagten im Vorfeld etliche hochrangige Konferenzgäste ab, darunter Siemens-Chef Joe Kaeser, der Großinvestor Richard Branson und der Chef der Großbank HSBC, John Flint. Dänemark schickt gar keine Vertreter, zudem bleiben die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und US-Finanzminister Steven Mnuchin dem dreitägigen Treffen ebenfalls fern. Allerdings traf Mnuchin am Montag in Riad Kronprinz Mohammed bin Salman.

Angesichts immer neuer Details über den Tod des Regimekritikers hat die Bundesregierung den saudischen Botschafter zu einem „zeitnahen“ Gespräch gebeten, um ihm die deutsche Position zu verdeutlichen, wie das Auswärtige Amt am Montag mitteilte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor weitere Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vorerst ausgeschlossen. Auch in der EU wurde über mögliche Auswirkungen auf die Beziehungen zu Riad beraten.

Einer der mutmaßlichen Mörder soll sich nach Tötung Khashoggis als dessen Double verkleidet haben, wie der US-Sender CNN unter Berufung auf einen hochrangigen türkischen Behördenvertreter und Bilder von Überwachungskameras berichtete. Demnach soll der Verdächtige das saudische Konsulat in Istanbul durch die Hintertür verlassen haben – in Khashoggis Kleidung, mit einem falschen Bart und mit einer Brille.

Der CDU-Außenexperte Elmar Brok nannte die Nachrichten rund um die Tötung Khashoggis mehr als besorgniserregend. „Wir sollten deshalb rechtlich prüfen, ob eine Video-Überwachung der Botschaft und der saudischen Konsulate in Deutschland möglich ist, um im Ernstfall zu wissen, was dort passiert“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag), eine nur vorübergehende Einstellung deutscher Rüstungsexporte reiche nicht aus. „Lieber sollten wir Konventionalstrafe für gestoppte Waffenlieferungen zahlen, als dass wir weiterhin das Regime in Saudi-Arabien unterstützen, das im Nachbarland Jemen einen verbrecherischen Krieg führt.“ (dpa)

Dieses Videostandbild des türkischen Senders vom 2.10.2018 zeigt mutmaßlich Jamal Khashoggi im Gespräch mit seiner Verlobten Hatice Cengiz, bevor er das Konsulat von Saudi-Arabien betritt. Foto: TRT World/AP

Ein Küstenschutzboot für Saudi-Arabien bei der Verladung auf ein Transportschiff. Foto: Stefan Sauer

«Überhaupt keine Grenzen mehr»? Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in der Londoner Downing Street. Foto: Victoria Jones/PA Wire/Archiv



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