„Es ist eine Zeit der Angst“: AFP-Fotograf Shah Marai bei Selbstmordanschlag in Kabul getötet

Zwei Jahrzehnte lang berichtete der AFP-Fotograf Shah Marai über den blutigen Konflikt in Afghanistan. Am Montag wurde er in Kabul getötet - als sich ein Selbstmordattentäter als Journalist tarnte.
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Der AFP-Reporter Shah Marai Faizi wurde in Afghanistan getötet.Foto: ANDREW QUILTY/AFP/Getty Images
Epoch Times1. Mai 2018

Zwei Jahrzehnte lang berichtete der AFP-Fotograf Shah Marai über den blutigen Konflikt in Afghanistan. Am Montag wurde er selbst bei einem Doppelanschlag in Kabul getötet, als sich ein Selbstmordattentäter als Journalist tarnte.

Marai hinterlässt sechs Kinder. In einem AFP-Blog beschrieb er 2016 seine Arbeit unter den Taliban und nach dem Einmarsch der US-Truppen – und seine zunehmende Hoffnungslosigkeit.

„Sie haben Journalisten gehasst“, schrieb Marai über die Taliban. „Darum war ich immer sehr diskret: Ich habe immer darauf geachtet, das traditionelle Schalwar-Kamis-Gewand anzuziehen, wenn ich nach draußen ging, und habe mit einer kleinen Kamera fotografiert, die ich unter einem Tuch versteckt habe, das ich um meine Hand gewickelt habe.“

Das Fotografieren von Lebewesen war unter den Taliban verboten, „egal ob Menschen oder Tiere“, wie Marai berichtete. „Eines Tages habe ich eine Warteschlange vor einer Bäckerei fotografiert. Zu der Zeit war das Leben hart, die Menschen hatten keine Arbeit, die Preise gingen durch die Decke. Einige Taliban kamen auf mich zu. ‚Was machst du?‘, fragten sie. ‚Nichts‘, antwortete ich. ‚Ich fotografiere das Brot.‘ Zum Glück war das in der Zeit, bevor es Digitalkameras gab, so dass sie nicht überprüfen konnten, ob ich die Wahrheit sagte.“

Neben der BBC waren damals nur die drei Nachrichtenagenturen AFP, AP und Reuters in Kabul vertreten. Die Taliban jagten aber alle Ausländer aus dem Land, so dass Marai irgendwann allein zurückblieb, um im AFP-Büro die Stellung zu halten. „Die Meldungen habe ich über ein Satellitentelefon an das Büro in Islamabad durchgegeben.“

„Die Anschläge vom 11. September habe ich in der BBC gesehen“, berichtete Marai. „Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, dass sie Auswirkungen auf Afghanistan haben könnten. Das Büro in Islamabad hat mich ein paar Tage später gewarnt: ‚Es gibt Gerüchte, dass die Amerikaner angreifen werden.'“

Die Angriffe begannen knapp einen Monat später, am 7. Oktober. „Ich war gerade dabei, eine Meldung an Islamabad durchzugeben, als ich die Flugzeuge über Kabul gehört habe“, berichtete Marai.

„Dann waren die Taliban eines Morgens weg, sie haben sich in Luft aufgelöst. Das hätten Sie sehen sollen. Die Straßen waren voller Menschen. Es war so, als würden die Menschen aus dem Schatten zurück ins Licht des Lebens kommen“, beschrieb Marai die Atmosphäre in der afghanischen Hauptstadt.

„Es war die Zeit der großen Hoffnung. Die goldenen Jahre. Keine Kämpfe in der Stadt. Die Straßen waren voller Soldaten aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Kanada, Italien, Türkei. Die Soldaten sind zu Fuß durch die Straßen patrouilliert, haben gegrüßt, entspannt und mit einem Lächeln. Ich konnte so viele Fotos von ihnen machen, wie ich wollte. Man konnte überall hinreisen, nach Süden, Osten, Westen. Überall war es sicher.“

Doch 2004 kamen die Taliban zurück – und mit ihnen die Anschläge. „Die Party war zu Ende“, schrieb Marai. „Heute sind die Taliban wieder überall, und wir sitzen die meiste Zeit in Kabul fest.“

Die Unsicherheit mache das Leben sogar noch schwieriger als früher: „Ich traue mich nicht, mit meinen Kindern spazieren zu gehen. (…) Jeden Morgen auf dem Weg ins Büro und jeden Abend auf dem Rückweg denke ich nur an Autos mit Sprengfallen oder an Attentäter, die aus einer Menschenmenge herauskommen. Ich kann das Risiko nicht eingehen. Also gehen wir nicht raus.“

Noch nie habe das Leben in Afghanistan „so wenig Perspektiven geboten, und ich sehe keinen Ausweg“, schrieb Marai 2016. „Es ist eine Zeit der Angst.“ (afp)



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