„Macronmania“ bei französischer Parlamentswahl – Parteiensystem vor dramatischen Veränderungen

Um die 577 Abgeordnetenmandate haben sich 7877 Kandidaten beworben, der Frauenanteil liegt bei gut 42 Prozent. Die erdrutschartigen Veränderungen, die schon in den Hochrechnungen zu erkennen sind, verändern die Parteienlandschaft in Frankreich.
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Präsident Emmanuel Macron steht vermutlich vor einem neuen Etappensieg in Frankreich.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times11. Juni 2017

21:31 AFP meldet: Wieder einmal heißt der strahlende Sieger Emmanuel Macron.

Einen Monat nach seinem triumphalen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat der 39-Jährige bei der Parlamentswahl einen weiteren Erdrutschsieg eingefahren. Aus dem Stand wurde seine junge Bewegung La République en Marche in der ersten Wahlrunde mit Abstand stärkste Kraft. Bei der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag winkt dem Präsidenten eine satte absolute Mehrheit. Macron scheint alles zu gelingen – die traditionellen Volksparteien schlittern dagegen immer tiefer in die Krise.

Rund 32 Prozent bekam La République en Marche zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem. Schon das ist ein unglaublicher Erfolg für die Bewegung, die vor etwas über einem Jahr wie ein politisches Start-up gegründet wurde.

Doch wahrhaft schwindelerregend sind die Berechnungen für den zweiten Wahlgang: Das Präsidentenlager kann demnach am kommenden Sonntag mehr als 400 der 577 Abgeordnetenmandate erobern – das liegt weit über der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen.

Noch vor wenigen Wochen hätte das kaum einer für möglich gehalten. Doch die Welle, die den charismatischen Jung-Politiker in den Elysée-Palast getragen hat, überrollt weiter Frankreich. „Kann er über Wasser laufen?“ fragte ein Fernsehmoderator am Sonntagabend ungläubig.

Die vielzitierte „Macronmania“ hat ein neues Level erreicht. Macrons Sprecher Christophe Castaner mahnte sofort, nicht die Bodenhaftung zu verlieren: „Es ist noch nichts entschieden, wir müssen mobilisiert bleiben.“

Doch La République en Marche hat sich mit dem ersten Wahlgang eine perfekte Ausgangsbasis geschaffen. Die Franzosen scheinen entschlossen, ihrem ehrgeizigen Präsidenten eine Chance zu geben – und die Regierungsmehrheit, die er für seine sozialliberale Reformpolitik braucht. Zumal Macron in seinen ersten Amtswochen eine sehr gute Figur gemacht hat.

Zugleich straften die Wähler am Sonntag die anderen Parteien ab. Die konservativen Republikaner hatten nach der Pleite ihres Präsidentschaftskandidaten François Fillon eine Revanche erhofft. Doch sie landeten nun mit rund 21 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz und dürften in der neuen Nationalversammlung nur rund 100 Abgeordnete stellen.

Die Sozialisten von Ex-Staatschef François Hollande erhielten sogar nur rund zehn Prozent und dürften künftig weniger als 40 Abgeordnete stellen: eine historische Klatsche. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis räumte am Sonntagabend zerknirscht eine „beispiellose“ Niederlage für die Linke ein.

Doch auch die rechte Front National (FN) schnitt schlecht ab. Einen Monat, nachdem Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl mit fast elf Millionen Stimmen einen FN-Rekord erzielte, landeten die Rechtspopulisten bei zwischen 13 und 14 Prozent und dürften höchstens zehn Mandate bekommen. Als Mindestziel hatte die FN eigentlich 15 Abgeordnete anvisiert, um eine Fraktion bilden zu können.

Wahlbeteiligung am Tiefststand

Mit eigenen Fehlern wollten sich die Wahlverlierer am Sonntagabend aber nicht aufhalten – und ließen sich lieber über die sehr niedrige Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent aus. Das ist ein Tiefstwert bei einer Parlamentswahl in der Geschichte von Frankreichs Fünfter Republik.

Nach den Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl und der Präsidentschaftswahl selbst macht sich bei den Franzosen erkennbar Wahlmüdigkeit breit. Wenig motivierend war vermutlich zudem, dass es vor der Wahl wenig Spannung gegeben hatte – der klare Macron-Sieg hatte sich abgezeichnet.

Doch bis zum zweiten Wahlgang werden die Parteien noch einmal alles geben: La République en Marche, um sich den klaren Sieg nicht doch noch nehmen zu lassen; die anderen Parteien, um den Schaden möglichst gering zu halten.

Jetzt schon ist deutlich: Der tiefgreifende Wandel der französischen Parteienlandschaft setzt sich fort. Und der große Gewinner heißt Emmanuel Macron.

20:08 AFP meldet: Frankreichs neuer Staatschef Emmanuel Macron hat bei der Parlamentswahl einen klaren Sieg erzielt. Macrons Bewegung La République en Marche landete in der ersten Wahlrunde am Sonntag laut Hochrechnungen mit rund 32 Prozent an erster Stelle. Berechnungen zufolge kann das Lager des sozialliberalen Präsidenten bei der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag mit einer klaren absoluten Mehrheit rechnen.

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Die Parlamentswahl in Frankreich hat nur wenige Bürger mobilisiert. Bei der ersten Runde am Sonntag gaben bis 17 Uhr knapp 41 Prozent der Wähler ihre Stimme ab, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. Vor fünf Jahren waren es noch rund sieben Prozentpunkte mehr gewesen. Bestätigt sich der Trend, könnte die Beteiligung die niedrigste seit fast sechs Jahrzehnten sein. Meinungsforscher sagen Präsident Emmanuel Macron einen Sieg voraus.

Von der Wahl wird ein fundamentaler Umbruch des Parteiensystems erwartet. Der seit rund einem Monat amtierende Macron kann damit rechnen, dass seine sozialliberale Bewegung La République en Marche (Die Republik in Bewegung) zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem stärkste Kraft wird, den traditionellen Volksparteien drohen dagegen empfindliche Verluste.

Der 39-jährige Macron gab seine Stimme zusammen mit seiner Frau Brigitte im nordfranzösischen Badeort Le Touquet ab. Die Vorsitzende der rechten Front National (FN), Marine Le Pen, wählte im nordfranzösischen Hénin-Beaumont, wo sie auf ein Abgeordnetenmandat hofft. Bei der Präsidentschaftswahl im Mai war Le Pen Macron deutlich unterlegen.

La République en Marche erstmals bei der Wahl der Nationalversammlung

Macrons La République en Marche und MoDem kommen laut letzten Umfragen auf einen Stimmenanteil von rund 30 Prozent. Bei dem geltenden Mehrheitswahlrecht kann Macron damit nach der Stichwahl am kommenden Sonntag mit einer absoluten Mehrheit von mindestens 289 Mandaten in der Nationalversammlung rechnen. Das würde Macron helfen, umstrittene Reformvorhaben wie die Arbeitsrechtsnovelle durchzusetzen.

Macrons erst vor gut einem Jahr gegründete Bewegung La République en Marche tritt erstmals zur Wahl der Nationalversammlung an. Unter ihren Kandidaten sind zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft und Polit-Neulinge.

Ähnlich wie schon bei der Präsidentschaftswahl dürfte Macron den Konservativen und Sozialisten Einbußen bescheren: Letzte Umfragen sahen die konservativen Republikaner bei rund 22 Prozent, die Sozialisten von Ex-Staatschef François Hollande sogar nur bei acht Prozent. Le Pens Front National könnte 17 Prozent bekommen, die Bewegung Das unbeugsame Frankreich des Linkspolitikers Jean-Luc Mélenchon elf Prozent.

Die mit Macron verbündete MoDem von Justizminister François Bayrou ist durch eine Scheinbeschäftigungsaffäre unter Druck geraten, was sich auf ihr Wahlergebnis auswirken könnte. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete am Freitag Vorermittlungen wegen des Verdachts der Veruntreuung von EU-Geldern ein. Als Justizminister hatte Bayrou erst kürzlich einen Gesetzentwurf für „mehr Moral in der Politik“ präsentiert.

Sehr schwache Wahlbeteiligung bisher

In vielen Wahllokalen lief die Abstimmung nur schleppend. Die niedrigste Beteiligung meldete das Innenministerium aus zwei Départements nördlich von Paris. In Seine-Saint-Denis beteiligten sich bis 17 Uhr nur knapp 25 Prozent, in Val d’Oise knapp 33 Prozent.

Die Gesamtenthaltung wird von Meinungsforschern in der ersten Runde auf bis zu 51 Prozent geschätzt, das wäre ein neuer Höchststand in der 1958 gegründeten Fünften Republik. Je niedriger die Beteiligung im ersten Durchgang, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass in vielen Wahlbezirken eine Stichwahl abgehalten werden muss.

Für einen Sieg in der ersten Runde braucht ein Kandidat in seinem Wahlkreis mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen. Nötig ist zugleich mindestens ein Viertel der Stimmen der eingeschriebenen Wähler. In der zweiten Runde am kommenden Sonntag reicht dann die einfache Mehrheit aus, um den Wahlkreis für sich zu gewinnen.

Um die 577 Abgeordnetenmandate bewerben sich 7877 Kandidaten, der Frauenanteil liegt bei gut 42 Prozent. Die letzten Wahllokale schließen um 20.00 Uhr, im Anschluss werden erste Hochrechnungen erwartet.

Aufgerufen zu der Wahl sind 47 Millionen Franzosen. Die Abstimmung findet unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt, rund 50.000 Polizisten waren im Einsatz. Bei islamistischen Anschlägen wurden seit 2015 insgesamt 239 Menschen getötet. In dem Land herrscht weiter der Ausnahmezustand.  (afp)

 



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