Griechischer Ministerpräsident nach aufreibenden Regierungsjahren vor der Abwahl

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Der 44-jährige Alexis Tsipras hielt sich immerhin gut vier Jahre an der Spitze des Landes.Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Epoch Times4. Juli 2019

Griechenlands jüngster Regierungschef in 150 Jahren könnte am Sonntag von den Wählern aufs Altenteil geschickt werden. Der 44-jährige Alexis Tsipras hielt sich immerhin gut vier nervenaufreibende Jahre an der Spitze des beständig strauchelnden Mittelmeerlandes. Dem wirtschaftlichen Aufschwung und einem Friedensnobelpreis-verdächtigen Verhandlungserfolg mit Skopje zum Trotz deuten Umfragen darauf hin, dass der linksgerichtete Tsipras bei den vorgezogenen Neuwahlen dem Konservativen Kyriakos Mitsotakis unterliegen wird.

Als Tsipras 2015 an der Spitze seiner Syriza-Partei das Ministerpräsidentenamt erobert, steht sein Land vor dem Bankrott. Der gelernte Ingenieur regiert im ständigen Spagat zwischen den Forderungen seiner internationalen Geldgeber, Ausgaben zu kürzen und wirtschaftsliberale Reformen umzusetzen, und eigenen sozialpolitischen Vorstellungen. Steuererhöhungen, die vor allem die Mittelschicht belasten, erlauben es Athen, ärmere Griechen zu unterstützen – bei Renten oder den Kosten für Strom und Schulessen.

Im August 2018 schließlich kann das Land den Euro-Rettungsschirm verlassen. Trotz der Kredite bleibt Athens Gesamtverschuldung mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) immens hoch. Die Arbeitslosigkeit fällt in Tsipras‘ Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent.

Bringt Linke und Konservative gleichermaßen gegen sich auf

Mit seiner Austeritätspolitik stößt Tsipras vor allem die Linken vor den Kopf. Griechenlands Konservative bringt er anderweitig gegen sich auf: Unter Syriza wird nicht nur medizinisches Cannabis legalisiert, sondern auch das Recht gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gestärkt sowie das Recht von Transgender-Menschen, selbst ihr Geschlecht zu bestimmen. Zudem legt sich der bekennende Atheist Tsipras wiederholt mit Griechenlands mächtiger orthodoxer Kirche an.

Den größten Widerstand aber erfährt Tsipras mit dem nach eigener Auffassung größten Erfolg seiner Amtszeit: der Einigung im jahrzehntelangen Namensstreit mit dem benachbarten Mazedonien, das sich in Nord-Mazedonien umbenennt. Vielen Griechen, die den historischen Begriff Makedonien weiter für sich reklamieren, ist das aber nicht genug. Nichtsdestotrotz werden Tsipras und Mazedoniens Regierungschef Zora Zaev als Kandidaten für den Friedensnobelpreis gehandelt.

Bei der Europawahl Ende Mai fällt Syriza auf 23,7 Prozent – mehr als neun Prozentpunkte weniger als die konservative Nea Dimokratia (ND). Als Konsequenz lässt Tsipras die Parlamentswahlen um drei Monate vorziehen. Sollte die Oppositionspartei ihren Vorsprung am Sonntag halten, winkt ihr die alleinige Regierungsmehrheit, weil das griechische Wahlgesetz der stärksten Partei einen 50-Sitze-Bonus im 300-Sitze-Parlament zuspricht.

Dann würde der seit drei Jahren als Parteichef amtierende Mitsotakis in die Fußstapfen seines Vaters treten, dem früheren Regierungschef Konstantinos Mitsotakis. Politik liegt in der Familie: Kyriakos Mitsotakis war nach seinem Harvard-Studium und seiner Zeit als Berater bei McKinsey in London bereits kurze Zeit Minister für Strukturreformen. Seine Schwester war Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen. Nun regiert sein Neffe die Hauptstadt.

Mitsotakis verspricht, den in Griechenland beinahe traditionellen Nepotismus nicht wiederkehren zu lassen und auch keine Ämter an Verwandte zu vergeben. In den vergangenen Jahren war es ihm gelungen, die ND zu modernisieren und viele Kandidaten unter 40 Jahren zu präsentieren. Wähler lockt er vor allem mit dem Versprechen eines stärkeren wirtschaftlichen Aufschwungs.

Nicht nur Tsipras droht eine Niederlage: Auch die rechtsextreme Goldene Morgenröte hat nach einer Dekade beständiger Wahlerfolge bei Europa- und Kommunalwahlen im Frühjahr die Hälfte ihrer Wählerschaft verloren. An ihre Stelle trat die neue nationalistische und pro-russische Partei Griechische Lösung.

Bei der dritten Wahl binnen drei Monaten wird mit einer niedrigen Beteiligung gerechnet – auch weil viele Griechen zum Höhepunkt der Touristensaison anderes zu tun haben. (afp)



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