„Independent“: Weiterhin Misstrauen gegenüber katholischer Kirchenführung

„Wenn sich der Papst ernsthaft mit dieser Realität auseinandersetzen wollte, würde er eine Wahrheits- und Versöhnungsbewegung vorschlagen." Das schreibt der Londoner „Independent“.
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Katholischer Priester betet während einer Messe.Foto: istock
Epoch Times26. August 2018

Papst Franziskus hat bei seinem Irland-Besuch den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch katholische Geistliche verurteilt. Dazu meint der Londoner „Independent“ am Sonntag:

„Der irische Staat, der seit seiner Geburt eng mit der katholischen Kirche verflochten war, hat dieses Band endlich zerrissen. Doch der Schatten früherer Verbrechen, die im Namen der Kirche begangen wurden, fällt weiter auf die Gegenwart dieser Nation. Wenn sich der Papst ernsthaft mit dieser Realität auseinandersetzen wollte, würde er eine Wahrheits- und Versöhnungsbewegung vorschlagen. Nicht allein in Irland, sondern in allen betroffenen Ländern der Welt. Viele Menschen in Irland – ebenso wie in den USA, in Australien und anderswo – haben immer noch das Gefühl, dass das Kirchenestablishment es schwierig macht, einstige Täter gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Sie verweisen darauf, dass immer noch Missbrauchsfälle ans Licht kommen. Das entspricht nicht der Null-Toleranz, die mit den schönen Worten des Papstes impliziert wird.“

Immer neue Fälle aus der dunklen Kirchengeschichte

Untersuchungsberichte hatten die jahrzehntelangen Missstände in Irland dokumentiert: den tausendfachen Missbrauch an Kindern durch Priester und Ordensschwestern ebenso wie die systematische Vertuschung der Straftaten. Auch Kardinal Seán Brady, damals Oberhaupt der katholischen Kirche in Irland, verschleierte Sexualdelikte von Priestern in Kinderheimen. Doch statt um Vergebung zu bitten, prangerte Brady 2010 von der Kanzel herunter einen Mangel an Toleranz des Volkes gegenüber sündigen Kirchenvertretern an.

Der Vatikan zeigte sich bestürzt und wies Vertuschungsvorwürfe zurück. Immer neue Fälle aus der dunklen Kirchengeschichte kamen ans Tageslicht – etwa die Missstände in den Magdalenen-Wäschereien. In den Betrieben ließen Nonnen und Priester viele uneheliche Mütter wie Sklavinnen schuften. Dort lebten zwischen 1922 und 1996 mehr als

10 000 Frauen.

Und Irland ist kein Einzelfall, wie die Missbrauchsskandale in Australien oder Chile sowie ein kürzlich veröffentlichter Bericht aus Pennsylvania zeigen. Demzufolge haben sich mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an Tausenden Kindern in dem US-Bundesstaat vergangen.

Während sich die Kirche schwer tut mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit, hat sich Irland von seinem erzkonservativen Image befreit. Erst im vergangenen Mai stimmten die Iren für eine Lockerung des extrem strengen Abtreibungsverbots. Selbst nach Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus war ein Abbruch bisher untersagt. Tausende Frauen reisten für Abtreibungen ins Ausland. „Eine stille Revolution hat stattgefunden, ein großartiger Akt von Demokratie“, twitterte nach der Abstimmung Premierminister Leo Varadkar.

Der Regierungschef bekennt sich zu seiner Homosexualität. Irland hatte 2015 die Homo-Ehe eingeführt – als erstes Land der Welt per Volksentscheid. Noch bis 1993 stand Homosexualität dort unter Strafe.

Das Weltfamilientreffen (21.8. bis 26.8) als Forum für Christen und Familienverbände wird angesichts der Skandale kein Routinetermin für den Papst sein. Der Besuch komme zu einer Zeit, in der die Kirche „darum kämpft, einen neuen Platz in der irischen Gesellschaft und Kultur zu finden; einen, der sich von der dominanten Stellung der Vergangenheit unterscheidet“, so Erzbischof Martin vor Journalisten.

Die Veranstaltung findet alle drei Jahre an einem anderen Ort statt, dieses Mal mit Zehntausenden Teilnehmern aus mehr als 100 Ländern. (dpa)



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