Islamische No-Go-Zonen und der ribāt-Gedanke: Historiker sieht Muster in Parallelgesellschaften

Dass mit dem Ende des „Kalifats“ des IS in Syrien und im Irak dieser seinen Kampf beenden wird, hält US-Historiker Raymond Ibrahim für unwahrscheinlich. Er weist vielmehr auf die Bedeutung islamischer No-Go-Zonen in westlichen Städten für dessen Strategie hin.
Titelbild
Die Silhouette der Sehitlik-Moschee in Berlin am Abend.Foto: iStock
Von 27. März 2019

Im August des Vorjahres erschien das Buch „Sword and Scimitar: Fourteen Centuries of War between Islam and the West“ (Schwert und Scimitar: Vierzehn Jahrhunderte des Krieges zwischen dem Islam und dem Westen), eine gemeinsame Produktion der US-Historiker Raymond Ibrahim und Victor Davis Hanson.

Die Eroberung des letzten noch verbliebenen IS-Rückzugsgebiets Baghuz macht die darin enthaltenen Schlussfolgerungen noch aktueller, meint Autor Ibrahim auf „PJ Media“. So begrüßenswert es sei, dass das 2014 ausgerufene „Kalifat“ am Ende sei und von den USA unterstützte Truppen die Gegend nach verborgenen Extremisten durchkämme, bleiben dennoch Fragen offen.

„In No-Go-Zonen dominiert das Weltbild des IS“

Diese beziehen sich vor allem auf die Rekrutierungsgebiete für IS-Dschihadtouristen im Westen von gestern, die auch jene von morgen sein könnten. Dazu komme das Risiko, dass kampferfahrene IS-Kämpfer unerkannt neu oder zurück nach Europa kämen. Insbesondere nichtassimilierte islamische Enklaven und „No-Go-Zonen“ stellen nach seiner Überzeugung tickende Zeitbomben in den eigenen Ländern des Westens dar. Sympathisanten oder gar Mitglieder des IS seien dort allgegenwärtig.

Ibrahim erklärt:

Einige westliche Städte und Regionen sind regelrecht zu islamischen Gettos geworden. Dort ist de facto die Scharia Gesetz. Muslime werden dort in den Hass auf Ungläubige radikalisiert; Nichtmuslime, selbst die Polizei, haben Angst, diese Gegenden zu betreten, in denen jedem von ihnen Raub, Vergewaltigung oder die Ermordung droht.“

Es seien Enklaven, in denen das Weltbild des IS dominant sei. Obwohl es sich um Entwicklungen der jüngeren Zeit handele, hätten sie eine historische Wurzel und seien als Phänomene auch in der islamischen Gemeinschaft bekannt.

Erste historische ribāt-Siedlungen in Nordafrika

Der arabische Begriff für solche Gebiete sei ribāt. Diese Rückzugsgebiete entstanden überall dort, wo der Dschihad ins Stocken geraten war. Direkt in den Grenzbereichen zu den Ungläubigen hatten die Kämpfer Hochburgen errichtet, in denen sie stationiert blieben und sich für den passenden Moment zum Vorstoß rüsteten. Die theologische Rechtfertigung für das Vorgehen der Kämpfer biete die Sure Surah Ali ‚Imran (3:200) im Koran:

„O ihr, die ihr glaubt, übt Geduld und wetteifert in Geduld und seid standhaft und fürchtet Allah; vielleicht werdet ihr erfolgreich sein.“

Im Laufe der islamischen Geschichte wurden solche ribāt-Siedlungen regelmäßig entlang der Grenzen zum nichtmuslimischen Territorium aufgereiht.

Schon der Name der marokkanischen Hauptstadt Rabat geht darauf zurück, dass diese ein solches ribāt während der Piratenkriege im christlichen Mittelmeer war. Auch der Name der im 11. Jahrhundert in Nordafrika bedeutenden Almoraviden, die in Spanien eingefallen waren uns nach der Schlacht um Sagrajas einen Turm aus den Häuptern von 2400 getöteten Christen errichteten, leitet sich von den Murabitun ab – „die entlang der ribāts kämpfen“. Anders als die Mudschaheddin, die den Dschihad ausüben.

Bereits etwas mehr als Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahre 632 befasste sich der erste Sammler arabischer Schriften zum Dschihad, Abdullah bin Mubarak, mit dem Krieg, den man aus dem anatolischen ribāt-Ring an der Grenze zu Byzanz zu den Ungläubigen tragen solle. Sein „Buch des Dschihad“ ist bis heute ein Standardwerk für radikale Islamisten.

Zerstören, wo man nicht erobern kann

Das Osmanische Reich baute auf seinen Schriften auf, indem es mehrfach versuchte, den Ring aus ribāt-Siedlungen westwärts zu verlegen – zum Teil mit dauerhaftem Erfolg (1453 Eroberung von Konstantinopel), zum Teil mit temporärem (Belagerungen von Wien 1529 und 1683).

Die Logik hinter den ribāts entlang des Flusses Duoro in Spanien, der den christlichen Norden vom islamischen Süden trennte, schilderte im 14. Jahrhundert Ibn Hudhayl von Granada wie folgt:

„Es ist erlaubt, das Land des Feindes, seine Getreidespeicher, seine Lasttiere in Brand zu setzen, wenn es den Muslimen nicht gelingt, sie zu erobern, ebenso wie seine Bäume zu fällen, seine Städte zu zerstören, mit einem Wort: alles zu tun, was ihm schaden und ihn einschüchtern könnte. Voraussetzung ist, dass der Imam die Maßnahmen für angemessen hält, um die Islamisierung dieses Feindes zu beschleunigen oder ihn zu schwächen. In der Tat trägt all das zu einem militärischen Triumph über ihn bei oder dazu, ihn zur Kapitulation zu zwingen.“

Der im 19. und 20. Jahrhundert wirkende französische Historiker Louis Bertrand schilderte später in seinen Werken, dass es mindestens alle zwei Jahre zu Angriffen arabischer Insurgenten über den ribāt auf christliche Gebiete gekommen war. Die Angreifer gingen dabei zwar nicht davon aus, die Länder der Christen einnehmen zu können, aber sie wollten diesen den Verbleib in ihren Gebieten so unkomfortabel wie möglich machen. Diese Praxis pflegten sie über mehrere Jahrhunderte hinweg. Der stetige Raketenbeschuss israelischer Grenzstädte zu Gaza durch die Hamas ist ein aktuelles Beispiel für diese Strategie der Einschüchterung.

Hass auf den Westen keine Folge von Unterdrückung, sondern von Erziehung

Der Sinn dieses historischen Exkurses ist es, so Ibrahim, die muslimischen Enklaven und No-Go-Zonen im Westen funktionell als eine Fortsetzung des ribāt-Gedanken zu begreifen. Darin blühen Radikalisierung und dschihadistische Aktivitäten gegen die unmittelbaren ungläubigen Nachbarn – in diesem Fall ihre nichtmuslimischen Gastgeber.

Dass jüngst im britischen Dewsbury zwei radikale Islamisten unter dem Verdacht von Terrorkomplotten verhaftet wurden, die zweitgrößte islamische Vereinigung im Vereinigten Königreich einen Al-Kaida-Ideologen auf Tour durch die Moscheen schickte, in den USA muslimische Kongressabgeordnete Hass auf Israel und Amerika verbreiten und in Mainz ein jüngst geschlossener Kindergarten salafistischen Extremismus pflegte, sei Ausdruck dieser Strategie.

Es gebe jedoch, so Ibrahim, einen wesentlichen Unterschied zwischen historischen ribāts und heutigen muslimischen Enklaven: Die ribāts waren Frontstädte, die dort entstanden, wo die Kämpfer des Dschihad nicht vorrücken konnten – und so lange bestehen blieben, bis dies möglich wurde.

Heutige „Quasi-ribāts“, stehen hingegen inmitten des Territoriums westlicher Staaten, und die dortigen Bewohner seien nicht durch Vorrücken mit Waffengewalt dorthin gekommen, sondern durch die offenen Arme einer Willkommenskultur. Der jederzeit mögliche gewaltsame Dschihad sei dadurch nur eine von vielen Optionen, um die Ungläubigen rund um die Enklave zum Zurückweichen zu bewege, meint Ibrahim.



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