Kasachstan im Aufruhr: 500 Festnahmen bei Protesten während Präsidentschaftswahl

Das Innenministerium in Kasachstan hat die Festnahme hunderter Demonstranten im Zuge der Präsidentschaftswahl am Sonntag bestätigt. Etwa 500 Menschen seien festgenommen worden, hieß es.
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Proteste in der kasachischen Hauptstadt Nursultan am 9. Juni 2019.Foto: VYACHESLAV OSELEDKO/AFP/Getty Images
Epoch Times9. Juni 2019

Am Rande der Präsidentenwahl in Kasachstan hat die Polizei hunderte Demonstranten festgenommen. Etwa 500 Menschen seien „in Polizeireviere in den Städten Nursultan und Almaty gebracht worden“, sagte der stellvertretende Innenminister Marat Koschajew.

In den beiden größten Städten Kasachstans fanden am Wahltag die größten Demonstrationen in dem zentralasiatischen Land seit drei Jahren statt. Die Menschen protestierten gegen den erwarteten Sieg des Übergangspräsidenten Kassim-Jomart Tokajew, der von dem langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew zu seinem Nachfolger bestimmt worden war.

Demonstranten beim Zusammenstoß mit der Polizei. 9. Juni 2019, Nursultan, Kasachstan. Foto: VYACHESLAV OSELEDKO/AFP/Getty Images

Internationale Journalisten vorübergehend festgenommen

Auch zwei AFP-Korrespondenten, die die Demonstrationen in Almaty beobachtet hatten, wurden kurzzeitig von der Polizei festgenommen.

Die Polizei konfiszierte das Videomaterial eines der beiden AFP-Journalisten. Auch Journalisten des Senders Radio Free Europe/Radio Liberty und ein Mitarbeiter des Norwegischen Helsinki-Komitees wurden vorübergehend festgenommen.

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Aufruf zu Protesten kam vom Kritiker Nasarbajews, der im Ausland lebt

Zu den landesweiten Protesten aufgerufen hatte der wichtigste Kritiker des früheren Präsidenten Nasarbajew, der im Ausland lebende Banker Muchtar Abljasow. Nasarbajew war vor zweieinhalb Monaten nach jahrzehntelanger Herrschaft überraschend zurückgetreten. Ein Sieg des von ihm ernannten Übergangspräsidenten Tokajew gilt als ausgemacht.

Gegen den 66-jährigen Ex-Außenminister traten sechs Kandidaten an. Nur einer der Kandidaten, der Journalist Amirschan Kosanow, wird der Opposition zugerechnet. Auch er hat im Wahlkampf aber nur leise Kritik an der Regierung geübt.

Wahlbeobachter: Wahlen nicht frei und fair

Zu der Wahl, bei der 300 Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Einsatz waren, waren knapp zehn Millionen Menschen aufgerufen. Die Wahllokale schlossen um 17.00 Uhr (MESZ). Die Wahlbeteiligung lag laut der Wahlkommission bei 77 Prozent.

Tokajew hatte seinen Landsleuten eine „ehrliche, offene und faire“ Wahl versprochen. Von westlichen Wahlbeobachtern wurden Wahlen in dem zentralasiatischen Land bisher allerdings nicht als frei und fair eingestuft.

Menschenrechtsorganisationen beklagen zudem eine Unterdrückung der Opposition. Diese geht davon aus, dass der 78-jährige Nasarbajew auch nach seinem Rücktritt weiterhin das Sagen in dem ölreichen Land hat.

Tokajew: Nasarbajew verfügt weiterhin über Machtbefugnisse

Tokajew selbst hatte Journalisten gegenüber gesagt, Nasarbajew verfüge weiterhin über Machtbefugnisse „als Vorsitzender des Sicherheitsrats […] und in weiteren Funktionen“. Mit Blick auf die Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei im Vorfeld der Wahl erklärte Tokajew, in einen Dialog mit allen kommen zu wollen.

Der kasachische Übergangspräsident und Nachfolger Nursultan Nasarbajews, Kassim-Jomart Tokajew. 9. Juni 2019, Nursultan. Foto: VYACHESLAV OSELEDKO/AFP/Getty Images

Im Vorfeld der Wahl hatte die Polizei den Druck auf Oppositionelle verstärkt. Demonstranten wurden teilweise zu kurzen Haftstrafen verurteilt, in den Wohnungen von Aktivisten fanden Durchsuchungen statt.

Der pensionierte Verwaltungsbeamte Marat Sagyndykow sagte der AFP, er habe am Sonntag für Tojakew gestimmt, damit dieser den „Kurs des Führers der Nation“ – gemeint ist Nasarbajew – fortführe. „Ich denke, wir hatten in den vergangenen 30 Jahren einige Erfolge. Es gab auch Negatives, aber das ist in allen Ländern so“, sagte der 65-Jährige gegenüber der AFP.

Blogger hat nicht gewählt: Die Wahlen waren nicht fair

Der Video-Blogger Aslan Sagutdinov, der bei Protesten im Mai festgenommen worden war, erklärte gegenüber der AFP per E-Mail, dass er nicht wählen werde. „Wenn man an unfairen Wahlen teilnimmt, gibt man ihnen ein Argument dafür zu sagen, die Wahlen seien fair“, schrieb Sagutdinov.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnete einen Politikwechsel in Kasachstan in Folge der Wahl als „Illusion“ und kritisierte die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen auch unter Tokajews Interimspräsidentschaft. (afp)



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