„Brasilien-Gate“: Oberstes Gericht Brasiliens leitet Ermittlungen gegen Präsident ein – Temer schließt Rücktritt aus

Nach Enthüllungen um Schweigegeldzahlungen und eine Behinderung von Justizermittlungen in einem Korruptionsskandal bangt Brasiliens Präsident Michel Temer um sein Amt. Temer meint jedoch nach mehreren Krisensitzungen in Brasilia: „Ich werde nicht zurücktreten.“
Titelbild
Michel TemerFoto: EVARISTO SA/AFP/Getty Images
Epoch Times19. Mai 2017

Ein Jahr nach der Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff droht ihrem konservativen Amtsnachfolger Michel Temer ein ähnliches Schicksal. Das Oberste Bundesgericht genehmigte am Donnerstag Ermittlungen gegen den 76-jährigen Staatschef wegen Korruption. Hintergrund ist ein heimlicher Mitschnitt eines Gesprächs, in dem Temer Schweigegeldzahlungen an den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha gebilligt haben soll. Trotz zunehmender Rücktrittsforderungen will Temer jedoch im Amt bleiben.

Nach einem Bericht der Zeitung „O Globo“ traf sich Temer Anfang März mit dem Chef des Fleischproduzenten JBS, Joesley Batista. Dieser habe Temer dabei darüber informiert, dass er Cunha, der in der Affäre um den staatlichen Ölkonzern Petrobras wegen Bestechlichkeit in Haft sitzt, für sein Schweigen bezahle. Mit dem Mitschnitt lasse sich beweisen, dass Temer Batista in seinem illegalen Vorgehen bestärkt habe, berichtete „O Globo“ am Mittwochabend auf seiner Internetseite.

Temers Büro wies die Vorwürfe umgehend zurück. Der Präsident habe niemals Zahlungen zugestimmt, mit denen das Schweigen Cunhas habe erkauft werden sollen. In einer Rede an die Nation machte Temer am Donnerstag deutlich, dass er nicht an einen Rücktritt denke.

Der „O Globo“-Bericht war wie eine Bombe eingeschlagen. Binnen weniger Stunden wurden drei Anträge auf ein Amtsenthebungsverfahren gestellt, die Opposition und hunderte Demonstranten forderten Temers Rücktritt. Ein ranghoher Vertreter des Koalitionspartners PSDB drohte mit dem Abzug seiner Minister, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Brasiliens Finanzmärkte reagierten mit drastischen Kursstürzen, der Kurs des Real fiel bis zum Nachmittag um sechs Prozent.

Die Entscheidung des Obersten Gerichts zugunsten von Ermittlungen gegen Temer heizte die Stimmung weiter an. Das Gericht beaufsichtigt Untersuchungen gegen amtierende Politiker. Als Präsident darf Temer zwar nicht für Vergehen belangt werden, die vor Beginn seines Mandats liegen. Laut „O Globo“ fand die Unterredung jedoch am 7. März statt und damit in seiner Amtszeit.

Die Enthüllungen von „O Globo“ betreffen auch einen Vertrauten Temers, den einflussreichen Senator Aécio Neves, der in der Stichwahl um das Präsidentenamt 2014 knapp gegen Rousseff verloren hatte. Laut dem Blatt forderte Neves in einem ebenfalls von Batista mitgeschnittenen Gespräch umgerechnet 570.000 Euro Schmiergeld. Brasilianischen Medienberichten zufolge forderte der Generalstaatsanwaltschaft bereits die Festnahme des Senators. Das Oberste Gericht suspendierte sein Mandat, die Ermittler durchsuchten mehrere seiner Liegenschaften.

Nach Rousseffs Amtsenthebung war Temer als ihr Vize-Präsident an die Staatsspitze nachgefolgt, sein Mandat läuft noch bis Ende 2018. Seitdem versucht er, das Land mit Hilfe einer strikten Sparpolitik aus seiner schweren wirtschaftlichen Krise zu führen. Der konservative Politiker ist bei den Brasilianern allerdings sehr unbeliebt.

Rousseffs Anhänger sehen sich mit den Enthüllungen von „O Globo“ in ihrem Vorwurf bestätigt, die Amtsenthebung der linken Präsidentin am 12. Mai 2016 sei ein „Putsch“ der konservativen und liberalen Kräfte gewesen. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion