Polizei in Großbritannien will auch über „strafrechtlich nicht relevanten Hass“ informiert werden

Die Polizei im englischen Süd-Yorkshire will nicht nur über eindeutig strafbare Fälle von „Hassrede“ in Kenntnis gesetzt werden, sondern auch über solche, die diese Schwelle nicht überschreiten. In den USA ruft das Ansinnen Gelächter hervor, in Europa Sorge um die Redefreiheit.
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In ihrem Tweet, der unter dem Motto „Hass verletzt“ stand, machte die Behörde von Süd-Yorkshire auf die Möglichkeit aufmerksam, sogenannte Hassverbrechen zu melden.Foto: iStock
Von 12. September 2018

Ein am Sonntag geposteter Tweet der Polizeibehörde von Süd-Yorkshire hat weit über Großbritannien hinaus Hohn und Spott, aber auch Argwohn und Sorge um die Redefreiheit im Land und in Europa hervorgerufen.

In ihrem Tweet, der unter dem Motto „Hass verletzt“ stand, machte die Behörde auf die Möglichkeit aufmerksam, sogenannte Hassverbrechen zu melden. Diese definiert das britische Gesetz als „Vorfälle oder Verbrechen, die offenbar durch Voreingenommenheit oder Feindseligkeit gegenüber der Rasse, der religiösen Überzeugung, der Behinderung, der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität einer Person motiviert sind“.

So weit, so gut: Dass europäische Länder die Redefreiheit tendenziell für überbewertet halten und im Unterschied zu den USA deutlich strikter regulieren, lässt sich zum Teil mit der jüngeren Geschichte begründen. Diese könnte tatsächlich auf den ersten Blick den Eindruck vermitteln, Europäer wären im Umgang mit frei geäußerten Meinungen deutlich weniger souverän als die Menschen jenseits des Großen Teichs.

Ob die passende Antwort auf Erfahrungen mit totalitären Regimen, in denen der Staat der freien Rede enge Grenzen gesetzt hat, tatsächlich ist, die freie Rede immer noch irgendwie als großzügiges Geschenk des Staates an seine Untertanen zu begreifen, darüber gehen die Meinungen immer noch auseinander.

Süd-Yorkshire will auch „anstößige und beleidigende Kommentare“ nicht tolerieren

Die Polizei von Süd-Yorkshire fühlt sich jedoch offenbar mit ihren eigentlichen Aufgaben und selbst mit den ausdrücklich als strafbare Handlungen definierten Erscheinungsformen von „Hassrede“ immer noch unterfordert und ermuntert die Bevölkerung in ihrem Tweet auch darüber hinaus zu Meldungen:

„Zusätzlich zum Melden von Hassverbrechen, melden Sie bitte auch Hassvorfälle, die nicht den Tatbestand eines Verbrechens erfüllen, was unter anderem Dinge umfassen kann wie anstößige oder beleidigende Kommentare, ob online, von Angesicht zu Angesicht oder in geschriebener Form. Wir werden Hass in Süd-Yorkshire nicht tolerieren. Melden Sie ihn und setzen Sie ihm ein Ende!“

Der Tweet rief umgehend Trolle auf den Plan, die Genugtuung für Hänseleien aus ihrer Kindheit verlangten oder unter Verweis auf einen Zuwachs bei Eigentums- oder Gewaltdelikten in der Region die Frage nach der Angemessenheit der Ressourcenverwendung aufwarfen. Letzteres wurde prompt mit einer Blockierung sanktioniert.

US-Blogger Steven Crowder zeigte sich und seine gesamte Webseite prompt selbst an – „denn ich habe die nervige britische Regierung bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit beleidigt, und ich nehme nichts davon zurück“.

In weiterer Folge wirft er die Frage auf, ob es bereits einen „nicht strafbaren Hassvorfall“ darstelle, einem „Herr der Ringe“-Fan gegenüber die Vorzüge der Peter-Jackson-Verfilmungen gegenüber den „langatmigen“ Büchern zu loben oder die Londoner City eines mangelhaften gastronomischen Angebots zu zeihen.

Soziale Medien werden immer noch freiwillig genutzt

Auch bei „PJ Media“ reagiert man auf den Tweet mit Kopfschütteln. Jim Treacher verweist darauf, dass es das Internet nun mal mit sich gebracht hat, dass Menschen einander Dinge sagen, die sie im Regelfall nicht von Angesicht zu Angesicht äußern würden. Und dass es angemessene Wege gäbe, damit umzugehen:

„An den meisten Plätzen mit Netzabdeckung gibt es nur wenige Wege, die man gehen kann, wenn jemand einen online wütend macht oder deine Gefühle verletzt. Man kann den großen Fiesling offen dazu auffordern, damit aufzuhören, einen traurig zu machen, was – theoretisch – funktionieren könnte. Man kann Deppen oder Trolle auf Social-Media-Plattformen, in Kommentarspalten und ähnlichem auch ruhigstellen oder blockieren, was dem eigenen Blutdruck nützlich sein kann. Oder man kann sich dazu entscheiden, diese komplett freiwilligen Angebote gar nicht erst benutzen. Man kann die Option wahrnehmen, sich selbst nicht zum Ziel zu machen. Wie auch immer, durch Spazierengehen, Lesen eines Buches oder irgendeine andere Freizeitaktivität, mit der man sich schon vor den Zeiten des Internets beschäftigt hatte.“

Das Ansinnen der britischen Polizei, auch lediglich „beleidigende“ oder „anstößige“ Beiträge zu melden, ist jedoch nicht nur ein Grund, sich darüber lustig zu machen. Zumindest dann, wenn man nicht in den USA lebt. Tatsächlich haben bereits mehrere europäische Länder damit begonnen, das liberale Rechtsstaatsprinzip, von wegen es könne nur jenes Handeln staatlich geahndet werden, das zuvor in hinreichender Bestimmtheit als rechtswidrig definiert worden sei, zu verwässern oder gar zu durchbrechen. Gummiparagrafen einerseits, Verlagerung der Verantwortung für die Einhaltung von Gesetzen auf Private und Laien andererseits sind längst Alltag.

Auf dem Weg zur politischen korrekten Religionspolizei?

Gesetze wie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz illustrieren den Trend, unbestimmte oder dehnbare Begriffe wie „Hass“, „Hetze“, „gezielte Falschdarstellung“ oder „bloßstellendes Fotografieren“ zur Grundlage für die Einschränkung der Redefreiheit zu machen. Dass soziale Netzwerke dazu verpflichtet werden, „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte binnen einer bestimmten Frist zu löschen, schafft zwar nominell eine Anbindung an bereits in Kraft befindliche Straftatbestände und nicht darüber hinaus.

Die Tatsache, dass Laien dies in kurzer Zeit beurteilen sollen und Fehleinschätzungen zu drakonischen Geldbußen führen können, führt jedoch dazu, dass neben tatsächlich rechtswidrigen im Zweifel auch Beiträge gelöscht werden, die lediglich den vorherrschenden Moralvorstellungen zuwiderlaufen. Dass so etwas jedoch keine Grundlage darstellt, um tiefe Einschnitte in Grundrechte vorzunehmen, ist etwas, das den liberalen Rechtsstaat von einer Theokratie wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterscheidet.

Das Interesse der Polizei in Süd-Yorkshire an „nicht strafbaren Hassvorfällen“ und bloß „beleidigenden“ oder „anstößigen“ Inhalten legt immer mehr die Annahme nahe, dass auch die „säkular-humanistischen“ und „liberalen“ Gemeinwesen Europas im Zeichen von Political Correctness und dem Kampf gegen „Rassismus und Faschismus“ Gefallen an den Vorzügen einer Religions- oder Moralpolizei gefunden haben – in diesem Fall unter kulturmarxistischen Vorgaben.



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