Saudi-Arabien soll Trollarmee gegen Khashoggi mobilisiert haben – Spekulationen über mögliches 9/11-Wissen

Die „New York Times“ enthüllt ein angebliches saudisches Troll-Netzwerk – zudem nahm Khashoggi möglicherweise 9/11-Wissen mit ins Grab.
Titelbild
Eine gemeinsame Besprechung mit Tablet im arabischen Raum.Foto: iStock
Von 23. Oktober 2018

Der mysteriöse Tod des radikal-islamischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul bewegt weiter die Gemüter und gibt Anlass zu Spekulationen. Der „New York Times“ zufolge soll der saudische Oppositionelle und langjährige Bin-Laden-Vertraute vor seinem Ableben bereits über längere Zeit im Visier einer ominösen „Troll-Armee“ gestanden haben. Dieser will das Blatt nun auf die Spur gekommen sein.

Der Zeitung zufolge soll Kronprinz Mohammad bin Salman persönlich eine „Troll-Farm“ nahe Riad aufgebaut haben, deren Ziel sei, seine politischen Gegner in sozialen Medien durch permanente Shitstorms unter Druck zu setzen.

In der Einrichtung sollen hunderte Personen zu einem Monatsentgelt von 10 000 Rial (etwa 2300 Euro) beschäftigt sein. Neben Auftragsschreibern zur Unterstützung der Regierungspolitik und zur Diskreditierung von Gegnern soll das Königreich auch Social-Media-Mitarbeiter beschäftigen, die vermeintliche oder tatsächliche Staatsfeinde online ausspionieren sollen.

Ehemaliger Top-Berater des Kronprinzen als Mastermind

Die New York Times beruft sich bezüglich ihrer Darstellung auf die Angaben von sieben Personen, die darin selbst involviert gewesen oder zumindest darüber unterrichtet worden sein sollen. Zudem habe die Zeitung mit Aktivisten und Experten gesprochen, die das Projekt studiert haben wollen. Außerdem sei sie in den Besitz von E-Mails gekommen, die den inneren Aufbau der angeblichen Trollfarm beschrieben haben.

Saud al-Qathani, ein ehemaliger Top-Berater des Kronprinzen, der als Reaktion auf die mutmaßliche Ermordung Khashoggis am Samstag vor einer Woche entlassen wurde, soll der Stratege hinter der Trollfarm gewesen sein, die vor allem auf Twitter agiert haben soll.

Die Mitarbeiter habe man durch Ausschreibungen für „gut bezahlte Social-Media-Jobs“ akquiriert, den Bewerbern soll der politische Hintergrund der Tätigkeit erst während des Vorstellungsgesprächs eröffnet worden sein. Einige Experten sollen aus Angst davor, andernfalls selbst des Abweichlertums verdächtigt zu werden, den Job angenommen haben, so die NYT.

Seit Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings sei diese Plattform auch in Saudi-Arabien populär geworden. Allerdings habe die Führung schnell gelernt, soziale Medien zu nutzen, um die eigenen Belange zu fördern. So soll die Regierung ihren Trollen unter der Federführung von Saud al-Qathani, offenbar eine Mischung aus Jan Böhmermann und Stephen Bannon aus 1001 Nacht, tägliche Quoten für Beleidigungen gegen Regierungsgegner und Huldigungsadressen an den Kronprinzen und dessen Vertraute aufgetragen haben.

Abdulaziz und Khashoggi wollten eigene Troll-Armee bilden

Khashoggi habe allerdings auch selbst versucht, in organisierter Weise über eine Troll-Armee in die Meinungsbildung bei Twitter einzugreifen. Erst im September soll Khashoggi dem in Kanada lebenden saudischen Staatsangehörigen Omar Adbulaziz 5000 US-Dollar angewiesen haben. Diese solle er verwenden, um eine eigene Twitter-Truppe unter dem Namen „Elektronische Bienen“ zusammenzustellen.

Elf Tage vor seinem Tod hatte Khashoggi den Start des mutmaßlich von der Muslimbruderschaft gesteuerten Projekts angekündigt. Das internationale Netzwerk ist mit der Golfmonarchie verfeindet, weil diese außenpolitisch die Zusammenarbeit mit dem Westen pflegt.

Neben der Unterminierung von Regierungsgegnern sollen die Mitarbeiter der Trollfarm in Riad auch konzertierte Aktionen durchgeführt haben, um Bilder aus dem Jemen-Krieg als „sensibles Material“ bei Twitter zu melden. Auch sollen saudische Mitarbeiter bei Twitter und dem Verschlüsselungsnetzwerk Tor ihre Positionen ausgenutzt haben, um sensible Informationen abzuschöpfen und an den Geheimdienst weiterzureichen.

Ein weiterer Effekt des Todes Khashoggis ist, dass neue Spekulationen über die mögliche Nähe der saudischen Regierungsetage zu den späteren Attentätern von 9/11 die Runde machen. Neben Khashoggis Nahebeziehung zu Al-Kaida-Chef Osama bin Laden war der getötete Journalist auch Neffe des in Riad gut vernetzten Waffenhändlers Adnan Khashoggi, Direktor der Tageszeitung Al-Watan und Medienberater des saudi-arabischen Prinzen Turki ibn Faisal.

Zehn Tage vor 9/11 zurückgetreten

Dieser war seit 1977 über mehr als 30 Jahre hinweg Chef des saudischen Auslandsgeheimdienstes al-Muchabarat al-‚Amma und hat damit auch die Zusammenarbeit mit den USA und den Mudschaheddin in Afghanistan koordiniert. Aus diesen radikal-islamischen Einheiten konnten Al-Kaida und die Taliban später eine Reihe von Kämpfern rekrutieren.

Zehn Tage vor den Anschlägen vom 11. September 2001 trat Turki ibn Faisal unerwartet zurück. Später ging er als Botschafter nach London und Washington. Derzeit leitet er das König-Faisal-Zentrum für Forschung und Islamische Studien in Riad.

Khashoggi war also nicht immer der Regierungsgegner, als der er vor seinem gewaltsamen Tod in Erscheinung trat. Er war vielmehr führend in die Pressearbeit der Golfmonarchie involviert und stand dem Geheimdienst über Jahrzehnte hinweg nahe, bevor Kronprinz bin Salman begann, die langjährige alte Elite zu entmachten. Pikant ist, dass Saudi-Arabien in der Herrschaftszeit dieser Elite weltweit im Verdacht stand, extremistische und terroristische Aktivitäten im eigenen Land zu dulden und ins Ausland zu exportieren.

Der Zeitpunkt des Rücktritts Turki ibn Faisal und die Al-Kaida-Verbindungen Khashoggis sorgen nun in traditionellen und sozialen Medien für Spekulationen – angefacht durch Medienberichte wie vor einigen Wochen „Newsweek“, wonach die CIA-Einheit, die Osama bin Laden im Fokus hatte, „auf seltsame Art Informationen über die Anwesenheit von Al-Kaida-Anstiftern in den Jahren 2000 und 2001“ zurückgehalten habe. „Es ist ganz offensichtlich, dass die 9/11-Anschläge zu verhindern gewesen wären“, meint Newsweek.

„Wer das Schwert erhebt…“

Demzufolge soll Turki ibn Faisal die US-Dienste informiert haben. Diese sollen seither die Ereignisse verdunkelt und vertuscht haben. Khashoggis Ermordung könnte deshalb, so der Narrativ, der vor allem in Alternativmedien daraus gesponnen wird, einen möglichen Mitwisser zum Schweigen gebracht haben. Da Angehörige der 9/11-Opfer Saudi-Arabien auf Entschädigung verklagt haben, könnte dies Riad helfen, den Ansprüchen zu entkommen. Ibn Faisal würde dementsprechend gefährlich leben.

Die andere Option wäre, dass ibn Faisal sich selbst als Mitwisser durch rechtzeitigen Rücktritt aus der Schusslinie nehmen wollte. Khashoggi hingegen hätte möglicherweise gewusst als dem alten Establishment lieb war – und ibn Faisal könnte entsprechend seinen Einfluss geltend gemacht haben, um ihn aus dem Weg zu räumen.

Möglicherweise ist die Erklärung aber auch einfacher: Khashoggis eigene Affinität zu exzessiver Gewalt – immerhin war er ein glühender Anhänger brutaler radikal-islamischer Terrorbanden in aller Welt, für die Folter und Enthauptungen zum täglichen Brot gehörten – ist am Ende auf ihn selbst zurückgefallen. Frei nach dem Motto: „Wer das Schwert erhebt, wird durch das Schwert fallen.“



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