Sebastian Kurz: „EU braucht weniger Regulierung und mehr Hausverstand“ – Grüne: „Antieuropäisch“

Kritik von links erntet Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ob seines an diesem Sonntag veröffentlichten Interviews mit der Zeitung „Österreich“. Kurz hatte darin von „Regulierungswahnsinn“ gesprochen und gefordert, mindestens 1000 EU-Richtlinien und Verordnungen abzuschaffen.
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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz erntet Kritik für seine Kritik am "Regulierungswahnsinn" der EU.Foto: ALEX HALADA/AFP/Getty Images
Epoch Times13. Mai 2019

„Antieuropäisch und eines Kanzlers unwürdig“ seien die Aussagen von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz in seinem jüngsten Interview mit der Zeitung „Österreich“ gewesen, meint Grünen-Sprecher Werner Kogler. Der Spitzenkandidat der FPÖ, Harald Vilimsky, fühlt sich hingegen bestätigt. Was Kurz insbesondere über die Regulierungsdichte erklärt habe, die von Brüssel ausgehe, „entspricht dem, was ich seit Jahren sage“, so der freiheitliche Spitzenkandidat.

Kurz hatte sich im Gespräch mit der auflagenstarken Wiener Tageszeitung für ein Ende des „Regulierungswahnsinns“ ausgesprochen, der von der EU ausgehe. „Die Schnitzel-Pommes-Verordnung ist das beste Beispiel, wie unnötig sich die EU manchmal einmischt und die Bevölkerung bevormundet“, so der österreichische Kanzler. Er fordert in dem Interview:

„Die EU muss sparsamer werden – weniger Bürokratie, auch weniger Regulierung – Fokus auf die wesentlichen Sachen. Zudem setze ich mich dafür ein, dass 1000 EU-Richtlinien oder Verordnungen gestrichen werden bzw. die Kompetenzen an die Länder zurückgegeben werden im Sinne eines subsidiären Europas.“

Mit Manfred Weber für eine schlankere EU?

Die richtige Person, um dieses Vorhaben in Angriff zu nehmen, sei EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber. Immerhin habe dieser auch angekündigt, 1000 Verordnungen und Richtlinien abzuschaffen. Hingegen kritisieren die SPÖ und die linksliberalen Neos an den Aussagen des Kanzlers, dass seine Partei seit Jahr und Tag mitregiert und auch auf europäischer Ebene die Geschicke mitbestimmt.

„Die ÖVP macht doch seit Jahrzehnten die Strukturen in Brüssel“, wendet Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger gegenüber „Österreich“ ein. Wenn Kurz „über EU-Bevormundung klagt, ist das sein eigenes Versagen“, kommt auch aus der SPÖ ähnliche Kritik, geäußert von ­Partei-Vize und Ex-Europaparlamentarier Jörg Leichtfried. Kurz selbst sei seit mittlerweile sechs Jahren Regierungsmitglied.

Kurz wird in der Endphase des Wahlkampfes mit mehr als 50 Auftritten selbst um Stimmen werben. Der Einschätzung, er wolle auf diese Weise verhindern, dass ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas mit einem durchwachsenen Ergebnis den Höhenflug der Partei seit ihrer Übernahme durch Kurz gefährde, wies der Kanzler von sich.

„Das Gewicht, das ich in Europa habe, um unsere Ideen für eine EU-Reform durchzusetzen, wird stark davon abhängen, wie viel Unterstützung wir bei dieser EU-Wahl erhalten“, betonte Kurz. Entgegen anderslautenden Berichten unterstütze auch Karas die Reformvorschläge des österreichischen Kanzlers.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen neuen Vertrag für die EU braucht, der mehr Ordnung und vor allem auch mehr Hausverstand sicherstellt“, sagte Kurz. „Und dafür kämpfen wir als gesamtes Team der Volkspartei.“

„Härtere Sanktionen für Staaten, die die EU gefährden“

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Kurz und seinem Koalitionspartner auf nationaler Ebene, der FPÖ, dürfte hingegen sein, dass der österreichische Kanzler auf ein ungetrübtes Urteilsvermögen der EU-Kommission vertraut. Vor allem wenn es darum geht, gegen bestimmte Mitgliedstaaten vorzugehen. Kurz sagt zu diesem Thema:

„Wir wollen, dass es klarere und auch viel härtere Sanktionen gibt für alle, die die EU gefährden, indem sie ihre Staaten überschulden, Migranten nicht an der Außengrenze stoppen, sondern weiterwinken nach Europa – und indem sie an Demokratie und Rechtsstaat rütteln.“

Die Sanktionen könnten bei finanziellen Strafen beginnen und bei gröberen Verstößen bis hin zum Entzug der Stimmrechte führen. Das sollte neu geregelt werden, so Kurz. Der Kanzler nennt Italien und Griechenland als Beispiele im Bereich der Schuldenpolitik. Verfahren wegen angeblicher Verstöße gegen „Demokratie und Rechtsstaat“ sind bislang mit Blick auf Polen oder Ungarn im Gespräch.

Ohne die beiden Länder zu nennen, sagte Kurz: „Ich bin für ein Europa der Vielfalt mit unterschiedlichen Zugängen in Fachfragen – aber beim Thema Demokratie, Rechtsstaatlichkeit darf es in der EU keine Kompromisse geben. Da müssen sich alle an die gleichen Spielregeln halten.“

Ob der Österreich-Kanzler es hingegen für realistisch hält, ein Vorgehen der EU gegen Frankreich infolge seiner hohen Schulden in die Wege zu leiten, oder gegen Deutschland bei Alleingängen in der Migrationspolitik, blieb offen.

Innerhalb der EU gibt es Tendenzen, Kurz und seine Regierung selbst wegen vermeintlicher Verstöße gegen „europäische Werte“ unter Druck zu setzen: Im September 2017 wollte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Gianni Pittella, in Anbetracht der Regierungsbildung in Österreich neuerliche Sanktionen gegen die Alpenrepublik nicht ausschließen – nachdem die Sozialdemokraten bereits 2000 solche innerhalb der EU erzwungen hatten.

„Europa der offenen Grenzen nach innen setzt geschlossene nach außen voraus“

Auf institutioneller Ebene will Kurz die Doppelgleisigkeit hinsichtlich der Parlamentssitze in Straßburg und Brüssel abschaffen und die Kommission erheblich verkleinern. Auch solle in den europäischen Institutionen eine neue Spargesinnung Platz greifen.

Der Idee einer Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ oder einer „Republik Europa“ erteilte Kurz eine Absage, ebenso sieht er eine mögliche EU-Armee kritisch. Dringlich sei hingegen ein effektiver und koordinierter Grenzschutz. Kurz erklärte dazu:

„Dafür kämpfe ich seit Langem. Denn nur wenn es ein Europa mit funktionierenden, geschlossenen Außengrenzen gibt, kann es ein Europa mit offenen Grenzen nach innen geben. Diesen Zustand müssen wir möglichst schnell erreichen.“

Die ÖVP stehe für einen „Weg der Mitte“ und für Hausverstand in Europa. Das Subsidiaritätsprinzip müsse weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Österreichs Kanzler skizziert seine Vorstellung für die Zukunft der EU wie folgt:

„Verstärkte Zusammenarbeit in großen Fragen, etwa eine gemeinsame Außenpolitik, Außengrenzschutz, Währungsunion oder Wettbewerbsfähigkeit. Aber gleichzeitig eine EU, die sich zurücknimmt in Fragen, die Mitgliedsstaaten oder Regionen selbst besser regeln – also weniger Europa dort, wo wir selbst entscheiden können und wollen.“

VG Wort

 



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