Todesfalle Mittelmeer: Italien dringt auf europäische Lösung –

„Sie nur auf dem Meer zu retten, ohne eine Strategie für Afrika zu haben, ist keine Lösung“, sagte Ministerpräsident Matteo Renzi der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ (Sonntag). „Wir müssen ihnen zu Hause helfen, angefangen mit Investitionen in internationale Entwicklungshilfe.“
Epoch Times30. Mai 2016
Als im Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa östlich von Tunesien 366 Migranten starben, versprachen die Spitzen der Europäischen Union, eine solche Tragödie nie wieder zuzulassen. Italien startete Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer.

Andere europäische Länder und Hilfsorganisationen folgten. Sie haben schon Hunderttausende Leben gerettet. Doch es ist eine Sisyphosaufgabe. Deshalb verlangt Italien: Die EU muss ran.

Trotz aller Hilfseinsätze sterben immer mehr Menschen auf der Seestrecke, die mittlerweile als eine der mörderischsten der Welt gilt. Rom will die Ursachen mit einer Mischung aus Entwicklungs- und Sicherheitshilfe für die Staaten angehen, aus denen die Migranten kommen. Die Menschen sollen ihr Land erst gar nicht verlassen.

„Sie nur auf dem Meer zu retten, ohne eine Strategie für Afrika zu haben, ist keine Lösung“, sagte Ministerpräsident Matteo Renzi der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ (Sonntag). „Wir müssen ihnen zu Hause helfen, angefangen mit Investitionen in internationale Entwicklungshilfe.“ Drei Tage zuvor hatte Renzi auf dem G7-Gipfel in Japan gesagt, auch NATO-Einheiten könnten Migranten im Mittelmeer retten. Aber: „Das Meer ist der schlechteste Ort für ihre Rettung.“

Renzi will, dass die EU mit afrikanischen Ländern ein ähnliches Flüchtlingsabkommen schließt wie mit der Türkei. Als Gegenleistung für strengere Grenzkontrollen könne die EU afrikanischen Ländern Finanzhilfen sowie Einreisequoten für Arbeitnehmer, Studenten und Wissenschaftler anbieten.

„Entweder Europa reagiert (auf diese Vorschläge), oder wir werden es alleine machen müssen. Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Renzi dem Blatt. „Meiner Meinung nach sind die besten Köpfe in der Debatte zur Zukunft Europas zwei Weltbürger, die nicht aus Europa kommen, nämlich der US-Präsident (Barack Obama) und der Bischof von Rom (Papst Franziskus).“

Die Vereinbarung mit der Türkei wird als ein Grund dafür angeführt, dass die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge deutlich gesunken ist. Dabei ist unklar, ob sich Präsident Recep Tayyip Erdogan an die Abmachung halten wird. Zwar haben die meisten EU-Länder positiv auf Italiens Vorschläge reagiert, ähnliche Abkommen mit afrikanischen Staaten zu schließen. Aber die Mühlen in Brüssel mahlen langsam – zu langsam für Renzis Geschmack.

„All die Opfer, die wir aus dem Meer fischen, zeigen, wie weit und wie spät dran Europa in seinen Beziehungen mit afrikanischen Ländern ist“, sagte der italienische Außenminister Angelino Alfano laut der Nachrichtenagentur ANSA am Samstag im süditalienischen Lecce. Zwar bestehe keine Notlage, da die Zahl der Migranten im Vergleich zum Vorjahr stabil sei, aber man brauche „eine ernst gemeinte Einigung“ mit Libyen, um die „Ausreisen einzudämmen“.

Seit dem Sturz des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi 2011 befindet sich das nordafrikanische Land im Chaos, was Schleppern dabei hilft, ungestört ihrem Geschäft nachzugehen. Laut dem Chef der örtlichen Mission der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Othman Belbeisi, halten sich zwischen 700 000 und einer Million Migranten in Libyen auf. „Aber niemand weiß, wie viele nach Europa reisen möchten.“

Auch wenn Italien Druck macht, wird es wohl noch eine Weile dauern, bis etwas passiert. Das Flüchtlingsabkommen soll auf einem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni diskutiert werden. Doch selbst wenn es zu einer Einigung kommt, gibt es keine glaubwürdige libysche Regierung, mit der die EU verhandeln könnte.

Hilfsorganisationen haben derweil schon seit längerem einen anderen Vorschlag: Sie wollen legale Reiserouten für die Flüchtlinge schaffen – per Flugzeug oder Fähre -, damit sie auf der Suche nach Sicherheit und Wohlstand nicht ihr Leben riskieren müssen.

Eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Italien, Carlotta Sami, schrieb nach dem Tod von mehr als 700 Menschen in der vergangenen Woche auf Twitter: „Zähle am Sonntag die Opfer. Eine makabre Beschäftigung: Wird die Welt einsehen, dass die mehr als 700 (Menschen) eine sichere Überfahrt verdient hätten?“

(dpa)


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