Türkei: Imamoglu steht vor großen Herausforderungen – Seine Befugnisse wurden stark beschnitten

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Ekrem Imamoglu.Foto: Burak Kara/Getty Images
Epoch Times23. Juli 2019

Ekrem Imamoglu ist als strahlender Sieger aus der Bürgermeisterwahl in Istanbul hervorgegangen. Doch manche Gegner spotten, dass er in Wahrheit eine „lahme Ente“ sei.

Denn der Politiker der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) hat zwar bei der Wiederholung der Bürgermeisterwahl Ende Juni eine klare Mehrheit erhalten, doch im Stadtrat ist er auf die Kooperation der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan angewiesen.

Imamoglu steht harter Kampf bevor

Imamoglu stehe zweifellos ein „harter Kampf“ mit Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bevor, sagt Ege Seckin.

„Die Regierung wird alles dafür tun, seine Arbeit zu behindern, um ihre langjährige Behauptung zu bestätigen, dass allein die AKP fähig sei, die grundlegenden Dienstleistungen in der Stadt bereitzustellen, und dass alle Alternativen, einschließlich der CHP, inkompetent seien“, sagt der Analyst von IHS Markit.

Zwar hat Imamoglu die Wiederholung der Bürgermeisterwahl am 23. Juni mit 54 Prozent gewonnen. Im Stadtrat haben aber die AKP und ihr Verbündeter, die ultrarechte Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), die Mehrheit.

Ohne ihre Kooperation kann Imamoglu nur wenig bewegen. Noch am Wahlabend kündigte der 49-Jährige daher an, mit Erdogan zum Wohle der Stadt „in Harmonie“ zusammenarbeiten zu wollen.

Eingeschränkte Befugnisse

Der Präsident hat die Wahl zwar als „Wille des Volkes“ akzeptiert, doch zugleich in einer umstrittenen Entscheidung die Befugnisse des Bürgermeisters eingeschränkt.

Kurz vor der Wahl gab die Regierung eine Anweisung heraus, die dem Stadtrat das Recht zur Ernennung der Chefs städtischer Unternehmen gibt. Bisher war dies Sache des Bürgermeisters. Imamoglu kritisierte ein „politisches Manöver“ zur Einschränkung seiner Macht.

Die CHP befürchtet, dass die AKP es nicht dabei belassen wird. „Erwarte ich ernsthafte Hindernisse in bestimmten Bereichen? Ja, das tue ich angesichts ihrer Macht und Mehrheit im Stadtrat“, sagt der CHP-Stadtrat Tarik Balyali.

Blockadepolitik könnte auf AKP zurückfallen

Allerdings sei eine Blockadepolitik nicht ohne Risiko für die AKP, warnt er. Sollte sie Maßnahmen zur Verbesserung der städtischen Dienstleistungen blockieren, würden die Wähler ihr die Schuld geben.

Der AKP-Stadtrat Tevfik Göksu versichert denn auch, seine Partei werde eine „negative“ Haltung vermeiden und alle Projekte unterstützen, die Istanbul dienen.

In jedem Fall wird Imamoglu aber nicht umhin kommen, sich mit der Regierung zu arrangieren. Denn viele Institutionen in Istanbul unterstehen nicht dem Rathaus sondern der Regierung. Auch bei Großprojekten wie dem umstrittenen Kanal Istanbul hat Ankara das letzte Wort.

Imamoglu dürfte es daher nicht leicht fallen, den hohen Erwartungen seiner Wähler gerecht zu werden. Im Wahlkampf hat er mehr Hilfen für Studenten, Familien und Bedürftige versprochen, neue Arbeitsplätze, mehr Grünflächen und eine Lösung des chronischen Verkehrsproblems der 16-Millionen-Metropole.

Außerdem hat er ein Ende des „Systems der Verschwendung“ sowie mehr Transparenz und Kontrollen in Aussicht gestellt.

Versprechen derzeit schwer einzulösen

Als ersten Schritt ließ Imamoglu am 8. Juli die erste Sitzung des Stadtrats unter seinem Vorsitz live im Internet übertragen. Andere Versprechen sind aber schwerer umzusetzen, wie die Schaffung von mehr Grün in der Istanbuler Betonwüste.

„Istanbuls Grünflächen-Problem liegt nicht nur an der Natur-Feindschaft, sondern ist auch eine Frage der Wirtschaft“, sagt Sedat Durel von der Kammer der Umweltingenieure.

Aus seiner Sicht bräuchte es einen Mentalitätswandel und eine Abkehr von der Haltung, die der kommerziellen Entwicklung den Vorrang vor dem Schutz der Natur gibt. Ob Imamoglu dafür der Richtige ist, sieht aber nicht nur Durel skeptisch.

Schließlich hat er als Bauunternehmer ein Vermögen gemacht. „Auch wenn es Hoffnung gibt, dass die Dinge so nicht weitergehen“, sagt Durel, „müssen wir erst mal konkrete Pläne sehen.“ (afp)



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