„Die Türkei wird frei sein“: Oppositionskandidat Muharrem Ince auf Wahlkampftour

"Die Türkei wird frei sein", ruft der türkische Oppositionskandidat Muharrem Ince seinen Anhängern zu. Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit verspricht der 54-Jährige und hat damit gute Chancen, in die Stichwahl gegen Präsident Erdogan zu kommen.
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Muharrem Ince.Foto: ADEM ALTAN/AFP/Getty Images
Epoch Times5. Juni 2018

„Ince Präsident, Ince Präsident“, skandiert die Menge, als der türkische Oppositionskandidat Muharrem Ince im Istanbuler Stadtteil Eyüp im weißen Hemd auf das Dach seines Wahlkampfbusses steigt.

Eyüp ist ein konservatives Viertel, hier liegt das wichtigste islamische Heiligtum der Türkei. Doch an diesem Tag ist der Platz vor der Moschee voll von Anhängern der säkularen CHP, für die Ince bei den Wahlen am 24. Juni gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan antritt.

„Die Türkei wird frei sein“, ruft der CHP-Kandidat seinen Anhängern zu. Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit verspricht der 54-Jährige und hat damit gute Chancen, in die Stichwahl gegen Erdogan zu kommen. Viele säkulare liberale Türken hoffen, dass der frühere Physiklehrer nach 16 Jahren der Herrschaft Erdogans ein Ende setzt und Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit und den sozialen Frieden wiederherstellt.

„Das größte Problem der Türkei ist die Diktatur eines Mannes“, sagt Erman Gözküncü in Eyüp. Unter Erdogan seien viele politische Fortschritte zurückgedreht worden. Sicher habe sich die Wirtschaft entwickelt, doch profitiert hätten nur wenige, während die Ungleichheit zugenommen habe, kritisiert der 28-jährige Softwareentwickler. Besonders im Staatsdienst würden Posten nur noch nach Loyalität statt nach Leistung vergeben.

Die Stimmen von liberalen Wählern wie Gözküncü sind Ince sicher, doch um Präsident zu werden, muss er auch Wähler jenseits seiner Stammklientel überzeugen. Dafür ist er an diesem Tag in Eyüp und anderen konservativen Vierteln Istanbuls unterwegs. Besonders fromme Türken misstrauen der Partei der alten kemalistischen Eliten, denen sie nicht vergessen haben, dass sie einst Frauen mit Kopftuch den Besuch der Universitäten verwehrt haben.

Ince gibt sich nun demonstrativ volksnah und betont bei jeder Gelegenheit, dass seine Mutter auch Kopftuch trage. Bei seinem Wahlkampfstopp in Eyüp betet er am Grab eines Gefährten des Propheten, das auch Erdogan regelmäßig besucht. Er sei als Zwölfjähriger erstmals mit seiner Großmutter dorthin gekommen, sagt er auf eine Frage eines Journalisten. Eyüp gehöre nicht Erdogan, sondern allen Muslimen – und damit auch ihm.

Ob Ince fromme Wähler so gewinnen kann, muss sich zeigen. Doch sein energisches Auftreten kommt auf seiner Tour in Istanbul gut an. Als sich sein Bus am Nachmittag in Zeytinburnu einen Weg durch ein Meer aus türkischen Fahnen bahnt, wird er wie ein Popstar empfangen. „Seid ihr bereit?“, ruft ein Anheizer vom Dach des Busses. „Ja“, ruft die Menge und stimmt den alte CHP-Slogan „Wir sind die Soldaten des Mustafa Kemal“ an.

Zeytinburnu ist ein traditionelles Arbeiterviertel und ein Zentrum der Lederindustrie, in der auch zahlreiche syrische Flüchtlinge arbeiten. Wie in anderen Städten haben sich hier zuletzt die Spannungen zwischen Syrern und Einheimischen gemehrt, da besonders ärmere Türken in den Flüchtlingen eine Konkurrenz um Wohnungen und Arbeitsplätze sehen. Inces Forderung, ihnen die Hilfen zu kappen, stößt hier daher auf offene Ohren.

Vier Millionen Syrer habe Erdogan aufgenommen, 40 Milliarden Lira habe er ihnen gezahlt, ruft Ince. An dieser Stelle werde er das Geld hernehmen, um seine Versprechen zu erfüllen. In einem Interview kündigte der CHP-Kandidat kürzlich an, den Syrern die Tür zu weisen. Wer für die Feiertage nach Syrien reise, sollte nicht zurückgelassen werden. „Ist die Türkei eine Suppenküche?“, fragte er. Ince mag ein Hoffnungsträger sein, doch nicht für alle. (afp)



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